Aktion in Friedrichshain: Mit Tröten gegen Wuchermieten

Gleich drei Aktivistengruppen sind in Friedrichshain unterwegs, um bei Wohnungsbesichtigungen Lärm zu machen. Vorbild der Aktionen sind Paris und Hamburg.

300 Euro warm? In der Berliner Innenstadt wird es da schon eng. Bild: dpa, Frank Rumpenhorst

"Guten Tag, wem gehört denn dieses schicke Haus? Sie vermitteln da nur? Dann gehört es jetzt uns."

Der Makler hinter dem gläsernen Wohnzimmertisch am Viehtrift 30 kämpft noch mit der Contenance, da ist das Townhouse im Schlachthofviertel bereits voll mit demonstrierenden Wohnungssuchenden. Mit Masken vor dem Gesicht erkunden 30 Leute ihr neues Heim, lärmen mit ihren Tröten, verwickeln andere Interessierte in Gespräche über Wohnungsnot - und sind wieder weg, als 20 Minuten später die Polizei eintrifft.

Wohnungssuchehappenings gibt es in Hamburg und Paris schon lange, nun haben sie auch den Weg nach Berlin gefunden. Den Anfang machte die Hedonistische Internationale im September. Im Hinterhof eines Friedrichshainer Mietshauses demonstrierten ihre Mitglieder gegen den Mietwucher im Szenekiez - und ließen alle Hüllen fallen. Linke Politik, so die Aktivisten, müsse nicht immer bierernst sein, sie dürfe auch Spaß machen.

Das Auftaktspektakel hat auch andere Gruppen angesprochen. Am Sonntag sind gleich drei Wohnungsbesichtigungstrupps in Friedrichshain unterwegs: Neben der Hedonistischen Internationale demonstriert eine Gruppe von Wohnungssuchenden im Blaumann und mit Umzugskisten sowie eine "Wohnungsbesichtigungs-Rallye" auf Fahrrädern.

Eine Maklerfirma, die gern teuer vermietet, ist Lions-Immobilien. Am Sonntag steht eine laute Vorderhauswohnung in der Frankfurter Allee 53 zur Besichtigung. 129 Quadratmeter für 1.029, zuzüglich Betriebskosten und Warmwasser, das macht 8 Euro den Quadratmeter nettokalt. Kaum sind die Aktivisten der Rallye vor dem Haus eingetroffen, werden Flugblätter verteilt. Ein Pärchen ganz in Schwarz kommt aus dem Haus. "Nein, 8 Euro sind überhaupt nicht zu viel", sagt der Mann. "Die Wohnung muss nur schön sein." Die Frau drängt, sagt: "Wir müssen noch zu einem anderen Termin." Dass es sich bei beiden um die Makler handelte, erfahren die Demonstranten erst, als sie vor der abgeschlossenen Wohnungstür stehen. Und auf der Straße fehlt der Smart mit der Werbeaufschrift www.lions-immobilien.de. Auf die Windschutzsscheibe hatten die Demonstranten ein Flugblatt geklebt.

Kurze Zeit später treffen die Ersten am Treffpunkt der Hedonisten ein. "Für nackt ist es diesmal zu kalt", scherzt eine Frau. Ein anderer verlangt erst mal Kaffee. Politik darf nicht nur Spaß machen, sie eilt auch nicht. Dass es eine Parallelveranstaltung gibt, stört die Leute nicht. In Friedrichshain ist Platz für viele - wenn es nicht so teuer wäre.

Vorbild für die Proteste ist der "Jeudi noir", der schwarze Donnerstag in Paris. Schon seit 2007 gibt es in der französischen Hauptstadt spontane Protestpartys. In Deutschland wurde das Wohnungshappening erstmals in Hamburg erprobt. Dort feierte das Netzwerk "Recht auf Stadt" im April die erste "Fette-Mieten-Party". Nun also ist Friedrichshain dran.

Die nächste Adresse wird auf einem Papierschnipsel verteilt: "Gärtnerstraße 26, 99,56 Quadratmeter, 1.115 Euro warm". Pech nur, dass die Wohnung von derselben Maklerfirma vermietet wird. Schon von weitem erkennt das Paar in Schwarz die Demonstranten - und sucht das Weite. Sehr zum Missfallen der wirklichen Wohnungssuchenden. Sie stehen wie die Aktivisten vor verschlossenen Türen.

Die dritte Gruppe stellt in einer Nebenstraße derweil ihre Umzugskartons auf dem Gehweg ab. Sie hat zwar den Makler angetroffen, aber keine Wohnungssuchenden. "Und das, obwohl sich bei Besichtigungen immer 50 Leute drängeln", ärgert sich eine Frau. Dreimal Pech, im nahe gelegenen Park gibt es eine Krisensitzung.

Die Spontis der Hedonistischen Internationale haben ihren Kaffee ausgetrunken. Auf eine Besichtigung in der Weichselstraße 13, 90 Quadratmeter, 1.053 Euro warm, haben sie verzichtet. Die Musik war noch nicht da. Immerhin steht das zweite Ziel des Tages fest: das Mustertownhouse auf dem Schlachthofgelände. Über Umwege erreicht die Adresse, Viehtrift 30, die frustrierten Aktivisten der Ralley beim Plenum im Park. Linke Politszene und Spaßfraktion? Nun muss zusammenwachsen, was vielleicht zusammengehört.

Schon beim Einradeln von der Eldenaer Straße ins Schlachthofviertel ist klar: Hier kommen keine Studenten und kein kreatives Prekariat zur Besichtigung, hier ist man angekommen. 360.000 Euro kostet ein Townhouse der Firma Walter Immobilien. Oder 1.600 Euro im Monat Miete. Das berichtet ein Paar, das die Nummer 30 gerade verlässt. "Ob das viel ist, kann ich nicht sagen", meint der Mann. "Wenn man hier wohnen will, kostet das halt." Die Frau erklärt, warum das so ist. "Zuerst kommen die Künstler in solche Viertel, dann wird es teurer. Und die Wohnungssuchenden müssen drunter leiden." Das Spektakel der Demonstranten beobachten sie mit kulturellen Interesse. "Ob das was bringt?", fragte die Frau. Sie gehen.

Vor dem Townhouse liegt noch ein Flugblatt. "Steigende Mieten stoppen" steht darauf. "Damit noch was zum Leben bleibt." Kaum sind die Demonstranten weg, ist wieder Ruhe eingekehrt. Nur die Bewohnerin des Lofts gegenüber wehrt sich dagegen, dass ihr Zuhause fotografiert wird. "Das ist hier mein Garten", schimpft sie - als befände sich ihr Heim in einer Gated Community.

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