Aktionsplan für sexuelle Vielfalt: Mehr Schutz für queere Menschen

Die Ampel-Regierung will mit einem Aktionsplan die Rechte von LGBTIQ+ stärken. Er sieht auch eine Anpassung im Grundgesetz vor.

Sven Lehmann hält die Broschüre " Queer Leben" in die Kamera

„Dieser Tag ist historisch“: Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung am Freitag Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

taz | BERLIN Am Freitagmittag wurde der Aktionsplan „Queer leben“ für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Kabinett beschlossen. Der bundesweit erste Aktionsplan dieser Art soll Queerfeindlichkeit entgegenwirken und die Rechte von LGBTIQ+ stärken.

„Dieser Tag ist historisch“, sagte Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung, der den Aktionsplan mit den einzelnen Ressorts abstimmte. Die Demokratie messe sich daran, wie die Gesellschaft mit Minderheiten umgehe: „Damit das auch für queere Menschen in der Gesellschaft gilt, ist eine aktive Politik notwendig.“ Die Bundesregierung sende damit „ein starkes, auch internationales Signal“.

Die Maßnahmen des Aktionsplans gliedern sich in sechs Teilbereiche, darunter rechtliche Anerkennung, Sicherheit, Gesundheit und die Stärkung von Communitystrukturen.

Konkret soll beispielsweise der Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3) um ein „explizites Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität“ erweitert werden. Dafür wäre allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat und im Bundestag notwendig. „Es gibt im Bundestag schon eine breite Mehrheit“, sagt der Queerbeauftragte Lehmann am Freitagmittag auf einer Pressekonferenz. „Ob es für eine Zwei-Drittel-Mehrheit reicht, ist die andere Frage. Gespräche dazu laufen gerade noch.“

Im Aktionsplan ist auch eine Reform des Abstammungs- und Familienrechts vorgesehen – sodass ein Kind, das in die Ehe zweier Frauen geboren wird, automatisch zwei rechtliche Mütter hat und nicht wie bislang adoptiert werden muss.

Das teilweise verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) soll durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden, das die Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich machen soll. Für trans und inter Personen, die in der Vergangenheit durch die Gesetzgebung Körperverletzungen durchlebten und Zwangsscheidungen vollziehen mussten, wird ein Entschädigungsfonds eingerichtet.

Um die Situation von queeren Verfolgten zu verbessern, soll in Asylverfahren neu bewertet werden, ob bei einer möglichen Rückkehr Verfolgung droht. Auch eine Rechtsberatung für queere Geflüchtete soll eingeführt werden.

Wenig Daten

Generell wird im Aktionsplan die lückenhafte Datenlage zu LGBTIQ+ bemängelt. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zählen deshalb sieben Forschungsprojekte, die darauf abzielen, die Datenerfassung zu Lebenssituationen und Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+ zu verbessern. Auch die Erinnerungskultur soll gestärkt werden, wie die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit. Eine Maßnahme dafür ist, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) durch den Haushalt abzusichern.

Verschiedene Maßnahmen zielen zudem auf die Verhinderung von queerfeindlicher Gewalt ab: Etwa eine bessere Erfassung von queerfeindlichen Übergriffen, die Prüfung eines Gesetzes gegen digitale Gewalt oder Fortbildungen für Beteiligte eines Asylverfahrens. Auch die Umsetzung des Artikel 16 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen soll umgesetzt werden, um Gewalt an LGBTIQ+ zu verhindern.

Im Bereich Gesundheit sieht der Aktionsplan unter anderem die „Förderung von Reproduktionsmedizin bei gleichgeschlechtlichen Paaren“ vor oder die Zulassung von queeren Männern sowie trans Personen zur Blutspende, „nötigenfalls auch gesetzlich“.

Nach dem Kabinettsbeschluss soll der Aktionsplan „Queer leben“ nun priorisiert und umgestaltet werden – der Queerbeauftragte Sven Lehmann koordiniert das in Abstimmung mit queeren Verbänden, Ressorts und den Bundesländern. Anfang nächsten Jahres soll dieser Prozess starten. „In einem Zeitfenster von drei Jahren wollen wir möglichst viel umzusetzen“, sagt Lehmann. „Was mir sehr, sehr wichtig ist, ist, dass der ganze Prozess verbindlich ist“, so Lehmann. „Ich werde als Queerbeauftragter darauf achten, dass Ergebnisse erzielt werden.“

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