Aktionswoche fürs „Containern“: Müll soll für alle da sein

AktivistInnen, die Lebensmittel aus dem Müll fischen, werden noch immer dafür angeklagt. Nun findet eine Aktionswoche statt.

Gemüseregal im Supermarkt in Fischaugen-Optik

Im Supermarkt soll es frisch aussehen. So landet Genießbares oft in der Tonne Foto: dpa

BERLIN taz | Jörg Bergstedt hat kein Glück mit Gerichten. Bergstedt, 52, ist Vollzeitaktivist aus dem hessischen Saasen, wo er Protestseminare organisiert. Eines seiner Themen ist die Rettung genießbarer Lebensmittel aus dem Müll, das sogenannte Containern.

Bergstedt ist keiner, der sich drückt, deshalb vor Gericht zu stehen – im Gegenteil. Erst vor knapp einem Jahr hatte er gehofft, in Gießen selbst angeklagt zu werden, um in einem Strafprozess öffentlichkeitswirksam dafür zu streiten, dass Containern eben kein Diebstahl ist, wie juristisch zumeist argumentiert wird. Allein: Der Prozess kam nicht zustande, weil das Unternehmen Tegut, die vermeintlich von Bergstedt beklaute Firma, selbst am Straftatbestand zweifelte.

Und jetzt das: Obwohl zu einem neuen Prozess Mitte April gegen zwei Container-AktivistInnen, diesmal im nordrhein-westfälischen Aachen, eigens eine Aktionswoche in mehreren Städten organisiert wurde und eine von Bergstedt organisierte Bundestagspetition für straffreies Containern online gegangen ist, ist der Prozess verschoben – auf Juni. „Die hatten Angst vor der Aktionswoche“, witzelt Bergstedt. Laut Gericht ist allerdings nur ein Verteidiger verhindert.

Nichtsdestotrotz, die Aktionswoche findet statt. Vom 3. bis 11. April wurden unter anderem in Aachen und Gießen Straßentheater, Demos, öffentliches Containern und Filmabende organisiert. Eine Liste mit mehr als 100.000 Unterschriften für die Einstellung des Verfahrens soll an die Aachener Staatsanwaltschaft übergeben werden. „Konkret sind zwei Menschen angeklagt, gemeint sind aber viel mehr“, heißt es auf der Seite des Aachener Bündnisses „Containern ist kein Verbrechen“.

Eine Petition fürs Containern

Parallel soll online eine weitere Petition starten, diesmal beim Bundestag, mit deren Hilfe das Containern entkriminalisiert und der Diebstahlparagraf 242 geändert werden sollen. In vier Wochen sollen 50.000 Unterschriften gesammelt werden – wenn das gelingt, werden die AktivistInnen im Petitionsausschuss öffentlich angehört. „Bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich weggeworfen“, heißt es in der Petition. „Durch Strafverfahren gegen Menschen, die Lebensmittel oder verwertbare Sachen aus dem Müll retten, helfen staatliche Institutionen bei dieser Wegwerfkultur“.

Zwei AktivistInnen sind wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall angeklagt

Die Bundestagsfraktion der Linkspartei hat bereits zugesagt, die Petition zu unterstützen. Begleitend werde ein Antrag der Linksfraktion zum straffreien Containern und zur Verpflichtung von Betrieben vorbereitet, Genießbares statt in den Müll an Kunden und MitarbeiterInnen unentgeltlich abzugeben.

Die beiden AktivistInnen, denen vorgeworfen wird, im Sommer 2015 bei einem Supermarkt containert zu haben, werden nun am 9. Juni vor dem Aachener Landgericht stehen. Sie sind wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall angeklagt. Dafür sieht das Gesetz bislang eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zehn Jahren vor.

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