Aktivist und Jurist zu White Supremacy: „Ich fühle mich nicht mehr sicher“

Der US-amerikanische Jura-Professor Khaled Beydoun erinnert auf Twitter an die Geschichten der Christchurch-Opfer. Auch Trumps Rhetorik ermuntere zu Verbrechen.

Eine weiße Krone

Nö, diese Krone ist nicht für White Supremacists Foto: unsplash/Ashton Mullins

taz: Herr Beydoun, seit dem Massaker in Christchurch veröffentlichen Sie auf Twitter Fotos und Geschichten der Opfer. Wie kamen Sie dazu?

Khaled Beydoun: Ich war sehr traurig. Denn die Opfer haben dieselben Religion wie ich und sie sind wegen dieser Religion und beim Gebet angegriffen worden. Ich wollte sie und ihre Leben feiern. Der Terrorist hat mich nicht interessiert.

Fühlen Sie Sich in Ihrem Land sicher?

Insbesondere mit Präsident Trump fühle ich mich nicht mehr sicher. Wegen seiner islamophoben Rhetorik. Wegen seiner Haltung gegen Immigranten. Er benutzt eine Sprache, die White Supremacists und ihren Terrorismus ermuntert. Die Hassverbrechen in den USA haben seit Trumps Amtsantritt beträchtlich zugenommen.

Sie beschreiben ein kollektives Klima. Aber der Angreifer von Christchurch soll ein Einzeltäter gewesen sein

Wenn ein Täter ein weißer Mann ist, dann wird er meist als Einzeltäter behandelt. Wenn er hingegen ein Araber, ein Muslim, braun oder Schwarz ist, dann heißt es sofort, dass er zu einer Terrorzelle gehört und vom IS radikalisiert worden ist. Rasse und Religion spielen eine riesige Rolle bei der Einstufung als Einzeltäter oder nicht.

40, stammt aus Detroit. Er ist Mitarbeiter des Projekts „Islamophobia Research & Documentation“ an der Universität von Kalifornien in Berkeley und lehrt seit 2018 an der Jura-Fakultät der Universität von Arkansas. Im April erscheint sein Buch „American Islamophobia“. Seit dem Massaker in Christchurch hat er auf Twitter Fotos und Kurzbiografien von Opfern veröffentlicht.

Also waren auch die Reaktionen auf das Massaker in Christchurch rassistisch geprägt?

Ja. Einerseits war die Attacke, wie man in dem Manifest des Terroristen nachlesen kann, von antimuslimischen Rassismus getrieben. Andererseits ist die Einschätzung als Einzeltäter ein Resultat spezifischer ­Unterscheidungen und Privilegien zu Gunsten weißer Terroristen.

Ist Islamophobie ein Ergebnis der Attentate vom 11. September 2001?

Islamophobie hat schon vorher in den USA existiert. Aber nach den Anschlägen von 9/11 ist sie ungezügelt und robust geworden. 18 Jahre nach dem Beginn des Kriegs gegen den Terror haben wir neue Gesetze, die eine Überwachung ermöglichen und neue Einschränkungen der Einwanderung aus der muslimischen Welt: Wir haben Informanten in den Moscheen, wir haben auf Muslime ausgerichtete Einreiseverbote, ja es kursiert sogar die Idee eines Muslim-Registers.

Nach FBI-AngabenNach FBI-Angaben stieg die Zahl von Hassverbrechen 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent. In Zeitraum 2015 bis 2017 stieg die Zahl um 30 Prozent, nach dem sie zuvor drei Jahre in Folge gefallen war. Bei der Hälfte der Täter handelte es sich nach FBI-Angaben um Weiße. Die Zahl der antisemitischen Angriffe stieg um mehr als ein Drittel, die der antiarabischen verdoppelte sich. Der größte Teil der Hasskriminalität richtete sich gegen Schwarze.

Nach Angaben des Southern Poverty Law Center erreicht die Zahl rechter "Hate groups" in den USA 2018 einen Höchststand.

Wollen Sie sagen, dass es bei dem Umgang mit dem Islam keinen Unterschied macht, wer im Weißen Haus sitzt?

Doch, es macht einen Unterschied. Bush und Trump sind beide Republikaner. Aber die Islamophobie ihrer Regierungen sieht unterschiedlich aus. Bush war um eine tolerante Rhetorik bemüht. Zehn Tage nach 9/11 sagte er: „Islam ist Frieden“. Das würde Trump nie sagen. Er sagt: „Der Islam hasst uns.“ Und er bezeichnet Immigranten als Invasoren. Diese explizite Rhetorik ermuntert Individuen, die Muslime hassen, sie zu bestrafen.

Zwischen Bush und Trump war ein Demokrat im Weißen Haus.

Präsident Obama hat zu Anfang seiner Regierung eine wunderbare Rede in Kairo gehalten, bei der er sagte, es sei Zeit für die USA, die Wunden in der muslimischen Welt zu heilen. Aber zugleich hat seine Regierung mit dem Programm „Countering Violent Extremism“ die zerstörerischste Form von staatlicher Islamophobie eingeführt. Es schleust Informanten in Moscheen quer durch die USA. Das ist strukturelle Islamophobie, die von einer demokratisch verantworteten Regierung ausging.

Das Weiße Haus sagt, Trump sei kein Rassist.

Seine Taten sprechen eine andere Sprache.

Wer sind die Vordenker und Strippenzieher der gewalttätigen Islamhasser?

In Washington gibt es eine Menge Lobbyisten, Think Tanks und Organisationen, die darauf spezialisiert sind, Muslime zu verleumden und zu dämonisieren. Sie forschen, sie sagen bei Hearings im Kongress aus, sie tweeten, sie machen Radio.

Nennen Sie ein paar Namen.

Unter ihnen sind Pamela Geller, Ben Shapiro, Robert Spencer. Dazu kommen Akademiker. Was sie publizieren, gelangt in verkürzter Form als O-Töne in die Medien. Ich lebe in Arkansas. Da kann ich täglich auf vier oder fünf konservativen Radiostationen Diskussionen über das Scharia-Recht hören. Irgendwann stellt sich bei den Zuhörern das Gefühl ein, dass dieses Land von Muslimen übernommen werde und dass sie aufpassen müssen.

Trump hat weder nach der rassistischen Gewalt in Charlottesville im Sommer 2017 noch jetzt, nach dem Massaker in Christchurch, ausdrücklich vor der Gefahr durch weißen Rassismus gewarnt und ihn verurteilt. Warum tut er sich so schwer damit?

Er braucht diese Leute. Er weiß, dass sie ihn unterstützt und ihn gewählt haben.

Sind Islamophobie und White Supremacy Synonyme?

Islamophobie ist ein Teil des weißen Rassismus. Aber der hat noch weitere Dimensionen – wie den Antisemitismus, den Rassismus gegen Schwarze, die Fremdenfeindlichkeit. Sie alle entstehen auf der Basis der White Supremacy – aus der politischen, zivilisatorischen und rassistischen Vision, nach der dieses Land den Weißen gehört und zwar vor allem weißen Christen.

Was sind die Ähnlichkeiten und was die Unterschiede zwischen Islamophobie und Antisemitismus?

Eine der Hauptähnlichkeiten ist, dass glühende White Supremacists weder Juden noch Muslime für legitime Amerikaner halten. Im letzten Jahr haben wir das auf dramatische Weise in Pittsburgh gesehen, als ein Terrorist in einer Synagoge elf Menschen getötet hat. Ein Unterschied ist, dass White Supremacists Muslime als aggressiver und militanter ansehen und als entschlossener, die USA zu übernehmen.

Es gab schon vor dem Massaker von Christchurch Attentate auf religiöse Zentren: die von Ihnen erwähnte Synagoge, eine schwarze Kirche in Charleston, ein Sikh-Tempel in Wisconsin. Nimmt Gewalt gegen Religionen gerade zu?

Es ist nicht unbedingt eine Gewalt gegen Religionen, sondern gegen religiöse Zentren, die White Supremacists für Anti-Weiß halten. Im Vergleich zu den 1980er und 1990er Jahren hat sich die Demografie wesentlich verändert. Das Forschungszentrum Pew prognostiziert, dass die Weißen in den USA im Jahr 2043 nicht mehr die Mehrheit sein werden. Die White Supremacists befürchten, dass dieses Land von Immigranten, Muslimen und Schwarzen Leuten übernommen wird.

Sie beschreiben die USA. Aber das Phänomen der Islamophobie geht weit über die Landesgrenzen hinaus.

Es ist ein globales Phänomen. Deutschland hat eine riesige muslimische Community, vor allem türkische Muslime und jetzt auch syrische Immigranten wegen des Kriegs in Syrien. Und wir sehen in Deutschland, in Australien, in Frankreich wie rechte Politiker, insbesondere Populisten, Einwanderer in ihren politischen Kampagnen für ökonomische Abwärtstrends und für die Arbeitslosigkeit von armen Weißen verantwortlich machen. Trump hat das mit „Make America Great Again“ getan.

Wie kann Islamophobie gestoppt werden?

Diese populistischen Bewegungen, die politisches Kapital aus einer aggressiven Sprache schlagen, von der bekannt ist, dass sie einen Effekt auf den Terrorismus hat, müssen bekämpft werden. Wir müssen auch Gesetze, sowie eine Politik und Kriege stoppen, die vereinfachend unterstellen, dass eine ganze Religion mit dem Terrorismus verbunden sei. Wenn eine Nation ihre Ressourcen allein dafür einsetzt, um eine bestimmte Gruppe zu bekämpfen, dann öffnet sie zugleich die Tür für andere gewalttätige Gruppen. Die White-Supremacist-Terroristen werden stärker, weil sie nicht überwacht und bekämpft werden. Sie können tun, was sie wollen. Wenn diese Leute beobachtet würden, wäre das das eine echte Prävention gegen ihre Gewaltakte.

Aber der Terrorismus im Namen des Islam liefert den White Supremacists immer neue Argumente. Ohne ihn könnten sie den Islam nicht als „Hass-Religion“ bezeichnen.

Natürlich müssen radikale muslimische Organisationen, die eine gewalttätige Interpretationen des Islam haben – wie IS und Boko Haram und al-Shabaab – bekämpft werden. Aber in den USA werden 64 Prozent aller Massenschießereien von weißen Männern begangen. Doch 95 Prozent der Ressourcen und Energien des Counterterrorismus gehen in die Beobachtung von Muslimen.

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