Aktivistin im Fall Jalloh über Gutachten: „Wie entsteht ein solches Brandbild?“

Bisherige Gutachten zum Feuertod Oury Jallohs seien zu beschränkt gewesen, sagt die Aktivistin Nadine Saeed. Ihre Initiative gab ein neues in Auftrag.

In dieser Zelle verbrannten in kurzer Zeit Matratze und Leiche komplett. Bild: dpa

taz: Frau Saeed, in zwei Prozessen zum Tod Oury Jallohs gab es bereits mehrere Brandgutachten. Wozu jetzt noch eines?

Nadine Saeed: Die beiden früheren Gutachter Klaus Steinbach und Henry Portz haben nur Teile des Brandgeschehens untersucht. Dabei haben sie sich auf eine mögliche Brandursache beschränkt: Oury Jalloh muss sich selbst angezündet haben. Das ist nicht ihnen anzulasten, sondern dem Gericht: Das hat ihren Auftrag so eng formuliert. Der Gutachter Steinbach selbst hat im Gericht gesagt, es wären ungleich mehr Versuche nötig gewesen, um das gesamte Brandgeschehen tatsächlich zu erklären.

Welchen Auftrag haben Sie dem neuen Sachverständigen gegeben?

Das Brandbild der Zelle Nummer 5 ist sehr heftig, Matratze und Leiche sind komplett verbrannt. Unsere Frage war: Was muss geschehen, damit eine feuerfeste Matratzenhülle nach 30 Minuten so aussieht?

Sie haben Dienstag Anzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereicht. Warum nicht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Dessau?

Die Justiz in Sachsen-Anhalt hatte acht Jahre Zeit. Sie hat bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, Oury Jallohs Tod aufzuklären. Der Rechtsstaat hat da versagt. Wir wollen, dass das jetzt außerhalb von Sachsen-Anhalt gemacht wird.

ist Sprecherin der Initiative „Gedenken an Oury Jalloh“.

Der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann sagte am Dienstag zu Ihrem Gutachten, es handle sich um „sehr ernste, überraschende und zum Teil erschreckenden Informationen“, neue Ermittlungen seien wohl nötig. Freut Sie das?

Das ist eine Unverschämtheit. Die Staatsanwaltschaft in Dessau tut jetzt so, als ob es ihr nicht möglich gewesen wäre, das herauszufinden, was wir herausgefunden haben. Dabei haben wir jahrelang im Prozess auf genau so ein Gutachten gedrängt und sie haben das immer abgelehnt. Wir wünschen uns, dass dieser Fall nicht länger von ihnen bearbeitet wird.

Sie haben Ausschnitte aus einem Video des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt ins Internet gestellt. Darauf ist eine Begehung der Zelle durch Beamte kurze Zeit nach dem Brand zu sehen. Wie sind Sie an diese Bilder gekommen?

Das Video war Teil der Ermittlungsakten, wir haben es über die Familie bekommen, die in den Prozessen als Nebenklägerin beteiligt war.

Sie zeigen daraus minutenlange Sequenzen mit Bildern der völlig verkohlten Leiche Oury Jallohs. Ist das gerechtfertigt?

Wir haben diese Bilder seit acht Jahren und sie bislang nicht gezeigt. Wir haben das aber jetzt für notwendig gehalten. Nicht um Schockeffekte zu erhaschen und Druck aufzubauen, sondern um sie den Bildern aus den neuen Brandversuchen gegenüberzustellen. Nur so kann man verstehen, was geschehen sein muss, damit ein solches Brandbild entsteht wie in der Dessauer Polizeizelle.

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