Almut Klotz über neues Album: „Sauber ist verlogen“

Mit den „Lassie Singers“ schrieb Almut Klotz Popgeschichte. Jetzt ist sie tot. Die taz sprach im Juli mit ihr und Reverend Dabeler über ihr gemeinsames Album, das jetzt erscheint.

Chris Dabeler und Almut Klotz kamen im Juli in die taz um über ihr Album „Lass die Lady rein“ zu sprechen. Bild: Robin Hinsch, Promo

taz: Erzählen Sie uns bitte die Geschichte hinter dem Albumtitel „Lass die Lady rein“?

Almut Klotz: Da kannten wir uns schon, haben eine schicke Fernbeziehung geführt. Ich hatte Sehnsucht und war pleite. Dann bin ich aufs Geratewohl zum Busbahnhof, um von Berlin nach Hamburg zu fahren. Am Schalter saß eine toughe Schlampe und hat dem Fahrer klargemacht: „Lass die Lady rein“ Der Spruch hat uns begleitet, bis heute können wir uns nicht entscheiden, ob Hamburg, oder Berlin.

Chris Dabeler: Ich bin immer froh, wenn ich aus Hamburg rauskomme, es hat sich nicht zum Guten entwickelt. Stichwort Gentrifizierung.

Klotz: Dann bist du erleichtert, wenn du in mein gentrifiziertes Viertel kommst: Berlin-Mitte.

Diese Duo-Situation findet ja in Ihren Songs als Spiel statt. Schweben Ihnen dabei berühmte Duos vor?

Dabeler: Umgekehrt. Man macht das und entdeckt hinterher Parallelen.

geboren 1962, gestorben am 16. August 2013. Sie gründete 1988 zusammen mit Christiane Rösinger die Band Lassie Singers, die sich nach einigen Erfolgen 1998 auflöste. Im gleichen Jahr gründete sie mit Christiane Rösinger das Label Flittchen Records und zusammen mit Sandra Grether und Elmar Günther die Band Parole Trixi, die sie allerdings kurz danach wieder verließ. Sie trat zusammen mit Christian Dabeler als Popduo auf; die erste Platte erschien 2007 unter dem Namen Klotz+Dabeler. Seit 1997 arbeitete Almut Klotz als freie Autorin und u. a. als Kolumnistin für die Berliner Zeitung. 2005 erschien in Zusammenarbeit mit Rev. Christian Dabeler ihr erster Roman Aus dem Leben des Manuel Zorn in der „Reihe Popliteratur“ des Ventil Verlags.

Klotz: Mir ist das erst im Nachhinein aufgefallen. Es geht sehr viel um Liebe. Und auch um Tod.

Im Song „Tausendschön“ heißt es: „Im Grunde deines Wesens bist du ein schmutziger Charakter“.

Klotz: Na ja, das beruht auf Gegenseitigkeit. Man darf aber die zweite Zeile nicht vergessen: „Im Grunde meines Wesens fand ich es sehr sehr schön“.

Dabeler: Mir sind saubere Charaktere eher unheimlich.

Klotz: Genau, das ist verlogen, sauber.

Mir kam sofort der Gedanke an Memphis-Soul. An süffige Südstaatenatmosphäre.

Dabeler: Korrekt gehört, alle Instrumente sind an den Memphis-Soul von Stax Records angelehnt. Beim Gedanken daran kriege ich Gänsehaut.

Um so befreit zu klingen, was muss man da erlebt haben?

Klotz: Für uns ist dieses Album tatsächlich eine Befreiung. Mit unserem Debüt 2007 haben wir versucht, es allen recht zu machen. Der Indie-Gemeinde, dem Mainstream, der Plattenfirma. Darunter leidet die Musik.

Sie haben das Album zu zweit aufgenommen. Wie entsteht daraus etwas Kreatives?

Klotz: Ich finde, zu zweit funktioniert Arbeitsteilung viel besser als in einer Bandkonstellation. Die Hierarchie ist geklärt. Bei zwei gibt es ja nur einen Gegner, auf den man sich einstellen kann.

Ist die Empathie, die Ihre Texte ausdrücken, für Sie lebenswichtig?

Klotz: Ja, sie hat uns beide gepusht, definitiv. Prinzipiell geht es in allen meinen Texten um Menschen, die nicht besonders konform sind. Sie leben in ihrer eigenen Welt, sie schwimmen nicht im Mainstream. Sie haben einen gewissen Stolz.

Deutsch gesungene Texte in Popsongs klingen oftmals penetrant banal oder zentnerschwer bedeutsam. All dieser Ballast fehlt bei Ihnen.

Dabeler: Wir verklausulieren gar nichts. Die Zeile „Tanzen, bis der Eisbär friert“ …

Klotz: Die hast du doch bis jetzt noch gar nicht so richtig wahrgenommen!

Dabeler: Doch, ich habe sie immerhin mitgesungen.

Klotz: Popmusik und ihre Texte müssen nicht von konkreten Gegenständen handeln, um in einem aufklärerischen Sinne politisch zu sein. Meine Texte rütteln durch etwas anderes auf. Das wird durch Bildlichkeit hervorgerufen, es klingt poetisch oder auch mal unerklärlich.

Dabeler: Sie sind politisch, aber auf einer anderen Ebene. Politik vollzieht sich bei uns eben nicht in Kausalitäten.

Klotz: Einverstanden. Ich finde es einen Unterschied, ob man Musik hört, um abfliegen zu können, oder ob man Musik hört, in der es um Diskurse geht. Manchmal geht es auch um beides zusammen.

Ist Ihre Musik eine Trotzreaktion auf den Lauf der Dinge?

Dabeler: Wir haben uns zur Einstimmung etwa alte Songs von Rod Stewart angehört. Da geht es immer um Haltungsfragen. Diese Haltung des „loud and proud“ ist eine klassische Soul-Losung. Dazu gehört auch eine Portion Rockismus.

Andererseits bricht Ihre Stimme jedes Macho-Spurenelement. Sie klingt unverbraucht und frisch, nicht angefasst.

Klotz: Eine Rockröhre bin ich definitiv nicht. Mich nervt aber, dass in Deutschland seit gut 20 Jahren Rock nur noch ironisch gebrochen durchgeht.

Sie kommen beide aus der Subkultur, haben mit den Lassie Singers, mit Rocko Schamoni Wegweisendes geschaffen. Ihr Album deutet an, dass sie eine lange Geschichte hinter sich haben. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Klotz: Natürlich nicht. Aber ich glaube, ich bin jetzt in einem Alter, wo ich nicht mehr im Hamsterkäfig rennen muss. Das gibt mir viel Freiheit.

Dabeler: Erreicht haben wir ganz schön viel. Es war eine lange Wegstrecke, wenn ich an die Lassie Singers denke, deine Musik, deine Texte bewegen die Leute immer noch.

Klotz: Das stimmt, da haben wir wohl einen Nerv getroffen.

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