Als Einsteigerin in der Jungen Union: "Ein fester Partner ist wichtig"

Die Parteien leiden chronisch an Nachwuchsmangel. Jung, Akademikerin, Journalistin - damit müsste ich doch eigentlich eine steile Karriere vor mir haben? Ein Selbstversuch.

Die Junge Union hat ein beachtliches Motivationsprogramm für zukünftige Parteifunktionäre. Bild: reuters

Es ist Anfang 2009. Vor mir liegen die Mitgliederwerbe-Karten. Vier Stück. Orangefarbener Hintergrund, roter Schriftzug. "Starke Frauen wählen" steht darauf. Sechs Frauen lachen mich an. Sie sind blond oder brünett, ihre Kleidung ist elegant, konservativ. Hosenanzug, Kostüm, die Haare adrett zurückgekämmt. "Viel getan. Viel zu tun. CDU."

In "Angepasst und Ausgebrannt. Die Parteien in der Nachwuchsfalle" analysiert Thomas Leif anhand von exklusiven Interviews, Insiderberichten, jahrelanger Beobachtung und Dokumenten, wie das "Kleinmachsystem" (Peter Gauweiler, CSU), Geheimbünde und informelle Gruppen in der Politik funktionieren, wie die Parteien mit Eliteschulungen auf die Personalnot funktional reagieren. Das Buch erscheint am 12. Juni im C. Bertelsmann Verlag. Der Text dieser Seite ist eine gekürzte Version eines Insiderberichts daraus.

Bürgerlich, konservativ und liberal - so ist die CDU in Bremen, wo ich lebe. Von rechtskonservativ bis beinahe liberal bündelt die Partei ihre Mitglieder und Wähler. Mir war sie bislang unsympathisch. Trotzdem kontaktiere ich die Partei - ich will wissen, was ihr hier werden könnte.

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandra Ahrens, Jahrgang 1974, ist Vorsitzende der Frauen Union Bremen. Konsequent hat sie auf ihr Mandat hingearbeitet. Ahrens ist darum bemüht, die Menschen für ihre Politik zu begeistern. Ich schreibe ihr eine E-Mail. Ahrens schlägt mir sofort ein Treffen vor. " Wir machen gleich Nägel mit Köpfen." Sie bietet mir an, ihre Mentee zu werden. Von der Vermittlung von Praktika im Bundestag oder in Brüssel ist die Rede.

Richtig Politik machen

Standesgemäß treffen wir uns kurz darauf in einer Innenstadt-Bar. Kaum sitzen wir, ruft der CDU-Fraktionschef an. Die Politikerin möchte mit ihm über eine Ausnahmeregelung für mich beim Nachwuchsprogramm reden. Es richtet sich an junge Erwachsene bis fünfundzwanzig Jahren; ich bin mit meinen achtundzwanzig eigentlich zu alt. Weitere Ausführungen müssen aber warten, denn vor uns stehen zwei CDU-Funktionsträger, denen ich vorgestellt werde. Dann packt Sandra Ahrens interne Papiere und eine Beitrittskarte aus. "Wenn du richtig Politik machen willst, solltest du gleich in die CDU eintreten", rät sie mir.

Sie habe schon früh "richtig Politik" machen wollen - und mit siebenundzwanzig den Landesvorsitz der Bremer Frauen Union angestrebt. Das Interesse für die Volkspartei hat ihr Mann bei ihr geweckt. Sandra Ahrens erzählt, wie sie auch Bernd Neumann von sich überzeugen konnte. Neumann ist seit 2005 Staatsminister für Kultur und Medien und war von 1979 bis 2008 Landesvorsitzender der Bremer CDU. An ihm kommt man hier nicht vorbei. Es heißt, dass so manche Frauen, die Parteikarriere gemacht haben, eine innige Beziehung mit ihm hätten. Ich frage meine Mentorin, was an dem Gerücht dran ist. Sie winkt ab. Sie sei den Weg stets über die Basis gegangen.

"An den Frauenthemen kommst du als Frau nicht vorbei. Aber es ist wichtig, auch ein hartes Ressort dazuzunehmen", empfiehlt sie mir. Mit einem harten "Männerthema" wie Wirtschaft käme man als Frau prima durch. Wichtig sei zudem ein fester Partner. Wie das bei mir aussieht, will sie wissen. Nicht unwichtig seien auch Kinder. In der Bremer Frauen Union hätten ihre Gegnerinnen sie mit dem Argument zu verhindern versucht, dass sie noch keine Kinder hätte. Jetzt ist sie schwanger.

Am Abend sehe ich das interne Papier zum Nachwuchsförderprogramm im CDU-Landesverband Bremen genauer an. Das Angebot richtet sich an die Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen aus der Metropolregion Bremen-Oldenburg, die "bereit sind, sich auf politischer Ebene einen Namen zu machen und die Politik der CDU voranzubringen".

Die Teilnehmer durchlaufen ein 18-monatiges Schulungsprogramm, "das die Bereiche Rhetorik, Pressearbeit, Landes-, Bundes- und Europapolitik, soziale Marktwirtschaft sowie die christlich-demokratischen Grundwerte der CDU beinhaltet." Die Ideologie ist also nachschulbar!

Jetzt bin ich gespannt und unterschreibe den Aufnahme-Antrag. Sechs Euro kostet mich die Parteimitgliedschaft im Monat. In den folgenden Wochen bekomme ich Einladungen zu den Veranstaltungen des Ortsverbandes und E-Mails von Sandra Ahrens. Jedoch geht es kaum um politische Inhalte, stattdessen werde ich zu Freizeitveranstaltungen eingeladen oder bekomme Mitteilungen, die ich in der ortsansässigen Zeitung unterbringen soll.

"Ich sehe schon, du machst richtig Parteikarriere", warnt mich ein Freund. Dazu fehlen mir aber noch die Seilschaften in der Jungen Union. Also nehme ich Kontakt auf. Malte Engelmann, der stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführer der Jungen Union (JU) Bremen, will sich sofort mit mir treffen.

500 Mitglieder sind in der JU, 70 davon seien aktiv, erzählt mir Malte. Er wirkt mit seinen neunundzwanzig Jahren sehr erwachsen. Malte hat Politikmanagement studiert und ist jetzt im Masterprogramm. Er hat die Ausstrahlung von einem, der etwas erreichen will. Den Idealismus möchte er sich aber nicht von mir absprechen lassen. Mit siebzehn ging er zur Jungen Union, wurde Landesvorsitzender der Schüler Union, mit neunzehn kam er in den Stadtteilbeirat. Heute ist er Deputierter in der Bürgerschaft. Er möchte ein Abgeordnetenmandat bekommen. Aber es klingt nicht gut, das so offen zu kommunizieren. "Das würden meine Kritiker ausschlachten."

Ich bekomme den Eindruck, dass er der Typ Nachwuchspolitiker ist, der derzeit in den Parteien Karriere macht. Einer, der die Politik als Business begreift.

Malte Engelmann hat mehrere Mentoren aus der Parteispitze. Der eine bringt ihm Inhaltliches bei, der andere erklärt ihm, wie man taktiert. Das könne man nur praktisch lernen. Darum hält der junge Konservative die Ochsentour für wichtig. An der Basis käme man nicht vorbei; um hier zu überzeugen, müsse die Ideologie geschult werden. Er habe selbst eine Fortbildung gemacht, in der es um das christliche Menschenbild ging. Und dann sagt er: "Es kommt der Punkt, an dem man sich fragt: Warum tue ich das? Ich glaube, so viel Idealismus hat niemand, sich all das abzuverlangen und dann nicht mehr zu wollen."

Knapp zwölf Jahre Politausbildung liegen hinter Malte. Und bis er als Abgeordneter in die Bremische Bürgerschaft einziehen kann, können noch ein paar mehr vergehen.

Am Tag darauf erfahre ich, dass der junge Grüne und Freund von Malte Engelmann, Jens Crueger, Jahrgang 1984, von 2003 bis 2007 Bürgerschaftsabgeordneter und große Nachwuchshoffnung der Grünen in Bremen, hingeworfen hat, weil er gegen das Establishment nicht ankommt. Jetzt schließt sich Crueger der SPD in Hamburg an. Da seien die Karrierechancen aussichtsreicher.

Am nächsten Tag hat Malte große Neuigkeiten: Er soll zum Vorsitzenden der Jungen Union im Land Bremen gewählt werden. Damit gilt auch seine Kandidatur für die kommende Bürgerschaftswahl 2011 als sicher. Nun möchte Malte seine Verbindung zur Bremer Presse intensivieren und so nehme ich an meiner ersten Parteiveranstaltung teil.

Wir fahren zum Kampagnenkongress der Bundes-CDU nach Hannover. Dort treffen sich mehrere hundert Parteifunktionäre aus Bremen, Bremerhaven und Niedersachsen. Es sind viele aus der Generation 50 plus da. Die CDU hat für den Kongress einen großen Saal gemietet, der bis auf die letzten Reihen gefüllt ist.

Partei als Business

Die Mitglieder der Jungen Union organisieren bei diesem Kongress die Unterstützeraktion und verteilen dafür unter den Jungen orangefarbene T-Shirts. Ehe ich mich versehe, mache ich mit beim Wahlkampf. Aber nicht alle Jüngeren beteiligen sich: Einige in Anzügen versuchen, einen Smalltalk mit den ranghohen Funktionsträgern zu erhaschen.

Nach knapp drei Monaten Erfahrungen dieser Art trete ich wieder aus der CDU aus. Meine Ergebnisse: Die Parteien stecken viel Kraft in die Rekrutierung des Nachwuchses. Am Ende kommt der Typus des jungen Karrieristen in die Top-Jobs, der Politik als Business versteht. Für den geleisteten Input möchte man Output haben. Kommt dieser nicht zustande, zieht man weiter.

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