Alte Gemäuer: Ein Wärterhäuschen in Italien

Die römische Regierung will Zollstationen und Burgen kostenlos an Selbstrenovierer verpachten. So soll der Tourismus in der Provinz anwachsen.

Blick auf eine hügelige Landschaft in Italien. Im Vordergrundein Wohnhaus zwischen Bäumen

Ein Objekt für Qualitätstourismus? Foto: Imago/robertharding

Der eine spottet. Die Italiener würden „Schlossherren und Burgfrauen“ für abgetakelte Ruinen suchen (Spiegel online). Ein anderer geißelt diese böse „Hassrede“ über das Land der Schönheit und der kreativen Einfälle (FAZ Blog). Ein typischer Schlagabtausch in der Presse. Das deutsche Gemüt erregt sich, wenn es um Italien geht. Sogar wenn das Thema eher harmlos ist. In diesem Fall werden weder Staatsschulden noch die Mafia diskutiert, sondern die kostenlose Verpachtung von Staatsimmobilien an Selbstrenovierer.

Die Regierung in Rom und die staatliche Immobilienagentur wollen renovierungsbedürftige Bahnhäuschen, Zollstationen, verlassene Militäreinrichtungen, Bauernhöfe und ein paar Burgen an Private abgeben. Die Pächter sollen die Gebäude instandsetzen und ein Netz von Unterkünften und Restaurants entlang alter Wanderwege und neuer Radfahrstrecken schaffen. Das Ziel ist ein neuer, nachhaltiger Tourismus, fernab von überfüllten Badestränden.

Die Italiener behandeln das in Deutschland hitzig diskutierte Thema eher emotionslos. Es ist für sie auch nicht neu. Seit etwa zehn Jahren versucht der Staat brachliegende Immobilien zu verkaufen oder zu verpachten. Allein der Erhalt der unübersichtlich im Land verstreuten Kunstwerke kostet ein Vermögen. Da sollten wenigstens die Gebäude etwas abwerfen. Anfangs konzentrierte sich die Regierung auf Herbergen, Landgüter und Leuchttürme in der Provinz. Viel Erfolgsmeldungen gibt es bislang noch nicht. Ab und zu taucht das Foto eines wieder weiß strahlenden Leuchtturms auf, in dem nun ein Museum untergebracht ist.

Für den Wandertourismus

Jetzt aber soll das Ganze in ein Tourismuskonzept eingebettet werden. Das Projekt „Cammini e Percorsi“ („Fußwege und Wanderrouten“) sieht vor, dass über 100 Immobilien kostenlos an Privatpersonen und Unternehmen, Verbände und Genossenschaften abgegeben werden, wenn ihnen diese ein neues Leben als Osteria, Hotel, Herberge, Kulturzentrum, Ausbildungsstätte oder Radwerkstatt einhauchen.

Die Gebäude liegen oft entlang der antiken Via Appia und des alten Frankenwegs Via Francingena oder auf neuen Radrouten – auf jeden Fall fernab der großen Städte und des Massentourismus. Der Pachtvertrag soll neun plus neun Jahre dauern, bei Großprojekten wie ehemalige Ferienkolonien können es auch 50 Jahre sein.

Ausschreibung 2017: läuft bis 26. Juni; soll 2018 und 2019 mit weiteren Staatsimmobilien wiederholt werden.

Infos und Formulare auf Italienisch, Englisch und Deutsch: www.agenziademanio.it/opencms/it/ValorePaese/camminiepercorsi/

Dossier zu den Immobilien auf Deutsch: www.agenziademanio.it/export/download/demanio/agenzia/DOSSIER_FUSSWEGE-UND-­WANDERROUTEN.pdf

Vortritt haben lokale Gruppen und alle unter 40. Denn die Jugendarbeitslosigkeit steigt weiter und der Tourismus gilt als Branche mit Zukunft und Arbeitsplätzen. Bereits heute erwirtschaftet sie über zehn Prozent des BIP und ihr Anteil an der Beschäftigung liegt bei 11,6 Prozent – Tendenz steigend. Junge Unternehmensgründer und Start-ups können in den ersten zwei Aufbaujahren des Projekts auch finanziell unterstützt werden. Dafür sollen drei Millionen Euro locker gemacht werden. Das ist bei hundert Projekten allerdings nicht besonders üppig. Den Rest muss jeder selbst beschaffen.

Fabio Lazzerini, Touristiker

„Die Deutschen sind unsere besten Kunden. Jedes Jahr kommen 53 Millionen“

Nach Meinung des zuständigen Transportministers Graziano Delrio liegt die Initiative, die sich in der nachhaltigen Slow- Travel-Bewegung einordnen möchte, voll im Trend. „Es existiert eine große Nachfrage nach Qualitätstourismus. Wir müssen unser Angebot daran anpassen“, so Delrio. Diese Nachfrage kommt verstärkt von den Deutschen. Für sie ist Italien immer noch das Blühende-Zitronen-Sehnsuchtsland mit Meer und Sonne. Aber sie wollen zunehmend auch biken, wandern, Kultur besichtigen, ordentlich Pasta essen, gepflegt Wein trinken.

Eine gute Idee

„Die Deutschen sind unsere besten Kunden. Jedes Jahr kommen 53 Millionen“, erklärte Fabio Lazzerini von der Tourismusbehörde Enit anlässlich des International Hotel Investment Forum in Berlin im März dieses Jahres. Trotz allem Ärger mit überhöhten Preisen und schlechtem Service würden die Deutschen das Urlaubsland Italien immer noch mit großzügigen 8,6 von 10 Punkten bewerten, so der Unternehmerverband Confimprese. Nach Angaben der Agentur Travel Appeal kommen die meisten Teutonen-Touristen aus den wohlhabenden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg.

Italienbegeisterte Feriengäste könnten nun selbst auf den romantischen Gedanken kommen, sich für ein Bahnhäuschen in der Toskana oder eine geräumige Zollstation auf Sizilien zu interessieren. Das ist theoretisch möglich. Die offizielle Ausschreibung gibt es auch auf Deutsch. Sie richtet sich aber weniger an die Feriengäste als an die deutschsprachigen Südtiroler. Und die Bürokratie ist kompliziert. Wie immer.

Dennoch ist „Cammini e Percorsi“ eine gute Idee. Vor allem, wenn es gelingt, die verarmten und vom Billigflug-Tourismus abgehängten Gemeinden in der Provinz über Rad- und Wanderwege in ein Netzwerk der langsam Reisenden einzubinden. Und wer gern selbst eine Biker-Werkstatt in Kalabrien oder eine Vollkornbäckerei auf der Appia Antica aufmachen würde, hat auch nächstes Jahr noch eine Chance. 2018 und 2019 soll es wieder Ausschreibungen mit neuen Stücken aus dem staatlichen Immobilienfundus geben.

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