Alternativ Wohnen in Bremen: Begehrte Bauwagen

Die Nachfrage nach Wagenplätzen steigt. Doch die Initiative „Kulturwerkstatt Ölhaven“ sucht seit Monaten erfolglos – sie will eine Brache am Osterdeich.

Campieren auf einem Parkplatz: Lisa Kühmstedt und Dimitri Falkenberg Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Sie wohnen in Bauwägen und ausgebauten Lastern – und sie wollen drumherum eine neue Kulturwerkstatt aufbauen, in der es das ganze Jahr über Programm geben soll. Doch seit vielen Monaten bemüht sich die zehnköpfige Initiative „Ölhaven“ nun schon vergeblich um einen Ort in Bremen, an dem ihr Projekt entstehen kann. Derzeit stehen die meisten Wägen auf einem Parkplatz am Hastedter Osterdeich, neben dem Netze-Museum der SWB. Dort bleiben können sie nicht. Wo sie hin sollen, ist unklar. Der Rest der Gruppe ist über die Stadt verteilt, manche stehen am Straßenrand oder auf Parzellen – wo sie auch keine Bleibeperspektive haben.

Entstehen soll die „Kulturwerkstatt Ölhaven auf einer Brache nahe des Weserwehrs, auf dem früher ein Umspannwerk der SWB stand. Das zumindest wollen die Initiatoren, unterstützt von der Zwischenzeitzentrale (ZZZ). Auch der Hemelinger Beirat begrüßt das Projekt. „Dennoch werden wir von der SWB, aber auch von der Stadt hingehalten“, sagt Dimitri Falkenberg, der zu den Initiatoren gehört. Der 27-Jährige ist in Russland geboren, lebt aber seit seiner Kindheit in Bremen und arbeitet hier in einem Projekt für unbegleitete Minderjährige.

Das Problem: Der Boden auf diesem Gelände ist möglicherweise verunreinigt. Wegen der Transformatoren, die dort 100 Jahre lang standen, könnten PCB-haltige Öle ins Erdreich gesickert sein – also giftige und krebserregende Chlorverbindungen. Im Sommer wurden im Auftrag des Umweltsamtes Bodenproben entnommen, deren Ergebnisse frühestens Anfang kommenden Jahres vorliegen. Bis dahin darf niemand auf das Gelände, erklärt die SWB, der es gehört. Was danach dort passieren soll, ist aber auch unklar. Der Energieversorger hat nach eigenen Angaben „noch nicht entschieden“, was mit der Brache passieren soll. Ein Firmensprecher bestätigt die Anfrage der Kulturwerkstatt Ölhaven – die aber noch unbeantwortet ist.

Im übrigen verweist die SWB auf das Umweltressort. Das müsse entscheiden, ob und wie das Gelände saniert werden muss. Ja, sagt Jens Tittmann, der Sprecher des grünen Umweltsenators Joachim Lohse. Abgesehen davon sei seine Behörde aber „nicht zuständig“, denn es gehe ja um ein Privatgelände der SWB. Ohnehin könne die Baubehörde nicht auf der Suche nach Wagenplätzen helfen. Die Grundstücke, die ihr gehören, seien alle dem Autobahnbau gewidmet. Ändern kann das nur die Bremische Bürgerschaft. Etwas ähnliches gelte für die städtischen Gewerbe- und Hafenflächen, die vom Wirtschaftsressort verwaltet werden.

Doch selbst wenn der Boden des SWB-Geländes verseucht sein sollte, ist das aus Sicht von ZZZ-Sprecher Daniel Schnier noch kein Grund, die Kulturwerkstatt nicht dort einziehen zu lassen. Schließlich sei auch das Erdreich unter dem Wagenplatz „Querlenker“ am Güterbahnhof verseucht, so Schnier. Der existiert seit 2009 und ist mittlerweile bundesweit einer der größten seiner Art.

„Wir brauchen eine schnelle Lösung, einen Stellplatz, auf dem wir bleiben können – zumindest übergangsweise“, sagt Falkenberg. Möglichst zentrumsnah soll sie sein, ganzjährig bewohnbar und für BesucherInnen des künftigen Kulturprojekts auch mit Bus und Bahn gut zu erreichen. „Und auf einem Campingplatz können wir nicht das umsetzen, was wir vorhaben.“ Geplant ist ein Ort für „unkommerzielle Stadtgestaltung“, mit Bühne und Werkstätten, die Künstlern und Handwerkern Platz bieten.

Es geht aber auch um mehr: „Wir fordern, dass das Leben auf einem Wagenplatz als Wohnform anerkannt wird“, sagt Lisa Kühmstedt von der Kulturwerkstatt Ölhaven. Die 25-jährige gelernte Hebamme ist aus Duisburg nach Bremen gezogen. „Wir planen bisher keine Besetzung, sondern wollen eine legitime Lösung.“ Auf diese Weise sei das Projekt leichter umsetzbar. Und schon jetzt gebe es Anfragen von Leuten, die sich dem Projekt anschließen wollten.

Tom Lecke-Lopatta, Bauressort

„Wir müssen dafür in der Stadt unbedingt Platz haben“

Insgesamt gebe es eine „rege Nachfrage“ nach Bauwagenplätzen, sagt Schnier. Vier Gruppen seien derzeit in der Stadt auf der Suche. „Wir sind fest entschlossen, weiter für unsere Lebensform und die Realisierung unseres Projektes zu kämpfen“, so die Ölhaven-Initiative. „Wir nehmen das ernst“, sagt Tom Lecke-Lopatta aus dem Bauressort und bekundet seine Unterstützung: „Wir müssen dafür in der Stadt unbedingt Platz haben.“

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