Altwerden mit Stil: Nicht nur die Frisur

Loki Schmidt wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden. Frauen wie sie haben etwas Kultiges. Dafür gibt es gute Gründe.

Loki Schmidt, Helmut Schmidt

Loki Schmidt mit Ehemann Helmut 2008 bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an der Uni Hamburg Foto: dpa

BERLIN taz | Schon allein um diese Haare dürften sie Tausende von Frauen beneidet haben. Frauen, die in den 60er und 70er Jahren mit hässlichen Lockenwicklern herumlaufen mussten und im Sommer nicht im See untertauchen durften, weil das die Frisur ruiniert hätte, diese haarsprayfixierten Gestrüppe auf Frauenköpfen, in denen das Lebensverbot nistete.

Loki Schmidt, Kanzlergattin, pfiff darauf und trug die Haare immer kurz, dunkel und glatt, während sie an der Seite ihre Mannes Staatsgäste empfing und gerne mal eine rauchen ging. Weibliches Gefälligkeitsverhalten ist was für Verliererinnen. Nichts für Damen wie Loki Schmidt, die an diesem Sonntag 100 Jahre alt geworden wäre und nicht nur wegen der Hamburger Feierlichkeiten unter Kult-Verdacht gerät – wie manche andere hochbetagte Frau auch.

Loki Schmidt wurde 91 Jahre alt, und die sehr alte Frau hat ja von sich aus schon etwas Mysteriöses, ist eine Überlebende, eine Art weiblicher Rolling Stone. Hochbetagte sind Science Fiction für die jüngeren Frauen, die subjektive Zukunft, die uns bevorsteht und die es zu meistern gilt. Männer hingegen verlassen sich gerne mal auf ihre niedrigere Lebenserwartung, um die Altersfrage zu umgehen. Was sich übrigens als großer Irrtum herausstellen kann, wenn sich dann wider Erwarten die Jahre und Gebrechlichkeiten aufeinander stapeln.

Die Prominenz des Ehemannes genutzt

Loki „Smoky“ war Lehrerin, Hobby-Botanikerin, Schachspielerin, Buchautorin, Mutter, Kanzlergattin. Wenn Wikipedia nicht lügt, wurden mehrere Pflanzen und sogar ein Skorpion (Tityus lokiae) nach ihr benannt, das muss man erst mal schaffen. Die Prominenz ihres Ehemannes nutzte sie für ihre Stiftungsarbeit zum Schutze gefährdeter Pflanzen. Sie war eine Verfechterin der Kameradschaftsehe – einer Partnerschaft, in der die Sexualität nicht im Vordergrund steht –, während ihr Mann noch im hohen Alter von seinen Affären erzählte. Das beste Rezept für eine gelungene Langzeitehe seien getrennte Betten, sagte sie einmal. Die Ehe zwischen ihr und Helmut Schmidt hielt 68 Jahre bis zu ihrem Tod.

Das Coole an ihr war die Nichtbetroffenheit von jeder „Disease to Please“, dem Druck, in einem von Männern dominierten öffentlichen Wahrnehmungsapparat punkten und sich an endlose Repräsentationspflichten verschwenden zu müssen. Das Leben mit einer praktischen Frisur, Forschungsreisen auf der Suche nach Bromelien, die dann Pitcairnia loki-schmidtiae heißen, Arbeit für den Naturschutz waren einfach aufregender.

Um die Kameradschaftsehe am Laufen zu halten, genügten ihre politische Bildung und die Schachkenntnisse. Loki Schmidt gehörte zu den Frauen, die sich in den damaligen Lockenwickler-Zeiten ihre eigenen Maßstäbe für das Glück zimmerten. Mehr Freiheit kann nicht sein. Und das gilt auch für heute.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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