America's Cup 2013 in San Francisco: Regatta der Raser

Das Rennen um den America's Cup verkommt wegen der Geschwindigkeitssucht eines US-Milliardärs zur Farce. Sein Leitbild ist die Formel 1.

Die Crew New Zealand ist beim Americas Cup auf Siegerkurs. Bild: ap

NEW YORK taz | Jimmy Spithill wirkte ratlos, wie er mit hängenden Schultern da im Heck seines Bootes saß. Er habe keine Ahnung, was seine Crew hätte anders machen können, sagte der Steuermann der Amis, die in der Bucht von San Francisco gerade die sechste Schlappe gegen ihren Herausforderer im America’s Cup, die Crew New Zealand, hatten einstecken müssen. Der 26 Jahre alte Spithill, den man einst als das Wunderkind des Segelsports gefeiert hatte, war geschlagen, besiegt von einer Übermacht, gegen die er einfach nicht ankam.

Die Szene spielte sich am Donnerstagvormittag pazifischer Ortszeit ab, die Neuseeländer hatten erneut im Duell der fliegenden Kohlefaser-Katamarane dem US-Team beim Kreuzen gegen den Wind den Schneid abgekauft.

Der Triumph hat die Neuseeländer unter Skipper Dean Barker mit sechs Rennen zu einem im Finale um den ältesten Sportpokal der Welt, den „Auld Mug“, praktische uneinholbar in Führung gebracht. Drei Siege fehlen Barker und seiner Zehn-Mann-Crew noch zum Sieg, die US-Segler müssten in den nächsten Tagen noch zehn Rennen gewinnen; die Lage wird immer aussichtsloser.

Die Verzweiflung war der Spithill-Mannschaft allerdings schon am Dienstagabend anzumerken. Weil sein Boot gegen den Wind bei den spektakulären Highspeed-Jagden über die San Francisco Bay einfach nicht auf Touren kommt, hatte Spithill ein extremes Manöver gewagt.

Der Australier hatte bei einer Wende das Schwert aus dem Wasser gezogen, um kantiger aus dem Manöver herauszuschießen. Doch der Streich ging nach hinten los. Man verlor so viel Tempo, dass die Neuseeländer ihnen davonflogen. Spithill erbat danach sofort eine Auszeit von einem Rennen. Team-Manager Russell Coutts tauschte über Nacht den Taktiker an Bord aus, doch die Einwechslung half nichts. An der Taktik hatte es offensichtlich nicht gelegen.

Tradition: Um den Americas Cup treten seit 1851 zwei Segeljachten, Verteidiger und Herausforderer, in mehreren Wettfahrten gegeneinander an. Die Jacht, die eine vorher festgelegte Anzahl von Wettfahrten gewinnt, gewinnt den Cup. Nach den Standardregeln der Stiftungsurkunde bestimmt der Herausforderer den Jachttyp und der Cupverteidiger das Segelrevier.

Boote: Die Kosten für die Teilnahme am Rennen sind extrem hoch. Die Budgets für die Hightechjachten betrugen teilweise über 100 Millionen Dollar. Die Boote müssen im Land des angemeldeten Teams gebaut werden. Diese Katamarane sind 22 Meter (72 Fuß) lang und 14 Meter breit. Das von 11 Seglern gefahrene Boot hat ein starres Flügelsegel von 40 Meter Höhe und eine Flügelfläche von 230 bis 260 Quadratmetern. Zunächst wurde mit maximalen Geschwindigkeiten von 32 Knoten gerechnet, während des Trainings erreichte Team Neuseeland jedoch Geschwindigkeiten von bis zu 43,6 Knoten.

Die Titelverteidigung zerrinnt Team USA zwischen den Fingern wie Sand, und man hätte am Donnerstag nur allzu gerne gehört, was der Chef des ganzen Unternehmens, Larry Ellison, dazu zu sagen hat. Geschätzte 150 Millionen hat der Software-Milliardär fürs Boot und die Crew ausgegeben, weitere 20 hat er der Stadt San Francisco aus seiner eigenen Tasche für die Austragung bezahlt.

Ellison ist besessen vom America’s Cup. Vielleicht sagt er deshalb gerade nichts. Man sah ihn am Donnerstag nur aus der Distanz auf seinem Sportboot sitzen, die Kappe tief ins Gesicht gezogen und mit einer Sonnenbrille über den Augen.

Ellison will sich noch ein wenig die Häme ersparen, die ihm zweifelsohne entgegenschlagen wird, wenn er sich endlich der Öffentlichkeit stellt. Das America’s-Cup-Finale in San Francisco ist das Kind von Ellison, er wollte sich damit ein Denkmal setzen. Die Art und Weise, wie er dabei versucht hat, den Segelsport komplett umzukrempeln und ganz nebenbei sicherzustellen, dass er den 162 Jahre alten Pokal auch behalten darf, ist jedoch vielen sauer aufgestoßen.

Moderner Zuschauersport

Der Sieg von 2010 gab Ellison die Macht, über die Königsregatta des Sports zu bestimmen. Laut der Statuten darf der Titelverteidiger den Standort für das nächste Finale bestimmen. Doch der Mogul aus dem Silicon Valley wollte mehr als nur den Standort bestimmen, er wollte seine Vision für die Zukunft des Segelsports umsetzen. Er will aus dem Segeln einen, wie er glaubt, modernen Zuschauersport machen.

Sein Leitbild ist dabei die Formel 1, ein die Nerven kitzelnder Mix aus Hightech und Geschwindigkeit, der in einem kompakten Format den Zuschauern direkt vor die Füße getragen wird. Von den Operntribünen im Hafen von San Francisco aus können zehntausende Schaulustige die nur 45 Minuten langen Duelle verfolgen, die mehr an Dragster-Rennen erinnern denn an klassische Regatten. Kern von Ellisons Reformplänen sind die Boote, auf denen das Finale und die Qualifikationsrennen in diesem Jahr ausgetragen wurden.

Der Unternehmer setzte durch, dass auf sogenannten AC72-Katamaranen gesegelt wird, Rennmaschinen, die so viel mit einem traditionellen Segelboot zu tun haben wie ein Space Shuttle mit einer Propellermaschine. Die Boote haben zwei ultraleichte, ultraschmale Rumpfteile, über denen mehr als 40 Meter hohe Segel gespannt sind.

Vier Meter über dem Wasser

Wem dabei als Erstes der Gedanke kommt, dass eine solche Konstruktion doch abheben muss, dem muss man sagen, dass genau dieses von den Konstrukteuren erwünscht war. Ab einer Geschwindigkeit von knapp 20 Knoten hebt es die Boote drei bis vier Meter hoch aus dem Wasser. Der einzige Kontakt mit dem Nass wird dann noch über schaufelartige Ruder hergestellt, die der Kapitän per Elektronik ausfahren kann.

Die Spitzengeschwindigkeit in diesen Boliden reicht bis 80 Stundenkilometern. Das ist nicht ungefährlich. Die Segler, die an der Grenze ihrer Belastbarkeit schuften, um diese riesigen Wellenkrabbler unter Kontrolle zu halten, tragen deshalb Ganzkörperschutzanzüge und Helme.

Eine Optik, an die man sich in dem Polohemden- und Leinenhosensport erst gewöhnen muss. Wie gut das alles zum Segelsport passt, ist nicht ganz klar.

Kosten schrecken ab

In den Qualifikationsrennen zum America’s-Cup-Finale schien es jedenfalls so, als würde Ellisons Strategie, dem konservativen Sport einen Hauch der X-Games zu verpassen, nach hinten losgehen. Zunächst einmal meldeten sich zur Quali-Serie, dem Louis Vuitton Cup, überhaupt nur zwei Boote an, weil die Kosten für die Supermaschinen die meisten Sponsoren abschreckten.

Der Louis Vuitton Cup im Hafen von San Francisco verkam mitunter zur Farce. In vielen Rennen fuhren Boote ganz allein gegen sich selbst. Zuschauer gab es außer ufälligen Passanten keine.

Ganz schlimm wurde es jedoch, als die schwedische Artemis-Crew einen schweren Unfall erlitt. Das Superleichtbau-Boot kenterte bei 70 Stundenkilometern und zerbrach.Olympiasieger Andrew Simpson wurde zwischen Wrackteilen eingeklemmt und ertrank.

Ellisons Super-Cup schien am Tiefpunkt angelangt. Doch seine US-Truppe schaffte es, noch eins draufzusetzen. Seine Crew wurde dabei erwischt, wie sie bei einem Trainingslauf regelwidrig am Rumpf manipulierte; Ellison musste vier seiner besten Leute entlassen.

Harte Kämpfe

Vollends gescheitert ist Ellison mit seiner Vision allerdings trotz allem wohl noch nicht. Zum Finale in dieser Woche drängten sich die erhofften Massen an die San Francisco Bay, und die Bilder davon, wie die futuristischen Schiffe über die nebelige Bucht huschen, waren auch durchaus faszinierend. Außerdem war das Duell USA versus Neuseeland auch nicht ganz so einseitig, wie es das Ergebnis erscheinen lässt. Spithill und seine Mannen lieferten den Neuseeländern einige harte Kämpfe mit atemberaubenden Manövern und Momenten brillianter Segelkunst.

Ob der Trend zur „extremen Technologie“, wie Ellison für sein Boot und für seine Firma wirbt, fortan die Zukunft des Segelsports bestimmen wird, liegt allerdings nun wohl in den Händen der Neuseeländer. Die Chancen für die überzüchtete Hochtechnologie stehen da eher schlecht.

Hört man sich die Aussagen des Bootseigners Grant Dalton aus der jüngeren Vergangenheit an, muss man wohl davon ausgehen, dass der Sport nach diesem Jahr erst einmal wieder einen Schritt zurücktritt. „Es ist absurd, dass die Regeln von der Eitelkeit eines Milliardärs gemacht werden“, sagte Dalton. Das war deutlich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.