Amerikanist zur US-Handelspolitik: „Die Begründung ist ein Affront“

Im Streit zwischen der EU und den USA ist ein neues Handelsabkommen die beste Lösung. Der Meinung ist der Politologe Andreas Falke.

Ein Hafen mit vielen Frachtschiffen

Werden in Zukunft auch so viele Frachtschiffe im Hafen von LA anlegen und Waren liefern? Foto: dpa

taz: Herr Falke, stehen die EU und Deutschland kurz vor einem Handelskrieg?

Andreas Falke: Bisher hat Donald Trump noch keine Aussage getroffen, ob er an den Zöllen auf Stahl und Aluminium aus der EU festhalten will. Es spricht viel dafür, dass er die Ausnahmen nicht verlängert. Aber es wird auf beiden Seiten bremsende Elemente geben, auch wenn die EU Gegenmaßnahmen ergreift. Der gesamte amerikanische Landwirtschaftssektor ist äußerst besorgt. Deshalb ist es voreilig, von Handelskrieg zu sprechen. Beide Seiten werden nach einer Lösung suchen. Trump hat davon gesprochen, dass ganz bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssten. Das wäre eine Senkung der Zölle für US-amerikanische Autos. Das ist allerdings nicht vorstellbar.

Warum nicht? Deutsche Autobauer zahlen in den USA 2,5 Prozent an Zöllen, US-Firmen in Europa 10 Prozent.

Das ist von der Welthandelsorganisation, der WTO, so verhandelt worden. Das kann man nur in einem Freihandelsabkommen wegbekommen. Trump hat die Idee, die Zölle für Exporte nach Europa auf 2,5 Prozent zu senken. Das Problem wäre, dass damit die Zölle für alle anderen Länder wie China, Korea oder Japan auch auf 2,5 Prozent sinken würden. Das sehen die Regeln der WTO so vor. Darum ist das im jetzigen Rahmen nicht vorstellbar.

Es ist die Rede von Handelskrieg, von Straf- oder Vergeltungszöllen. Ist diese Sprache angemessen?

Korrekt gesprochen handelt es sich nicht um Strafzölle. Strafzölle sind Zölle, die wegen der Verletzung von Regeln verhängt werden, wegen Preisdumping. Davon wird vor allem in den Medien gesprochen, weniger von den Spezialisten. Aber man muss schon ­sagen: Dass die Sprache so martialisch ist, liegt auch an der Begründung der Amerikaner für die Zölle. Die ­Begründung, diese Einfuhren aus der EU bedrohen die nationale Sicherheit der USA, ist ein Affront. Die Wortwahl ist so dramatisch, weil die Amerikaner Hebel einsetzen, die im europäisch-amerikanischen Handelsgebaren ­bislang nicht üblich waren.

Erleben wir gerade bei den Zöllen eine Trump-Doktrin oder gab es schon ähnliche Phasen im europäisch-amerikanischen Handel?

Seit den 1980er Jahren gab es Probleme mit landwirtschaftlichen Produkten. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU war lange einer der großen Knackpunkte, weil das den Marktzugang der großen Agrarproduzenten der USA erschwert. Später gab es Auseinandersetzungen wegen des europäischen Flugzeugbauers Airbus, eines Konkurrenten des US-Herstellers Boeing. Autos waren bislang zwischen der EU und den USA nie ein Konfliktthema. Probleme gab es zwischen Japan und den USA in den 1980er Jahren. Ronald Reagan hat Druck auf Japan ausgeübt und Handelsbeschränkungen angedroht. Daraufhin hat Japan den Export von Autos in die USA beschränkt.

Verhält sich Trump ähnlich?

Ja und nein. Die USA haben mit Korea ein neues Handelsabkommen ausgehandelt. Korea ist voll ausgenommen von Strafzöllen, nachdem sich das Land bereit erklärt hat, ein Selbstbeschränkungsabkommen für Stahl zu akzeptieren. Die Koreaner haben zugestimmt, dass sie nur 90 Prozent des bisherigen Stahlvolumens in die USA exportieren. Im früheren Handelsabkommen hatten die Amerikaner eine Einfuhroption für Korea von 25.000 Pkws, im neuen Abkommen sind es 50.000. Die Amerikaner hatten noch nicht einmal die 25.000 ausgeschöpft. Dieses Vorgehen ist konzeptionell ähnlich wie Reagans Politik. Allerdings hat Reagan diesen Weg verfolgt, um eine neue Liberalisierungsrunde innerhalb des GATT, des WTO-Vorläufers, anzustoßen. Er hat das verbunden mit multilateraler Marktöffnung. Während Trump impulsiv ist und keinem strategisch durchdachten Politikstil folgt. Das ganze Spiel „Ich öffne meinen Markt, wenn du deinen Markt öffnest“, das interessiert Trump gar nicht.

Andreas Falke

66, Politologe, lehrt Auslandswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg und ist Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts Nürnberg.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Ich weiß nicht, ob Europa sich auf so etwas einlassen kann wie Korea. Vernünftig wäre, wenn beide Seiten sagen würden: Wir setzen die Stahl- und Aluminiumzölle aus und verhandeln ein Abkommen über den Abbau von Zöllen.

Also TTIP …

… ein sehr abgespecktes TTIP. Der Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens würde zu lange dauern, und Trump ist daran auch nicht interessiert. Über Zölle kann man in einem überschaubaren Zeitraum verhandeln. Das wäre der vernünftige Weg. Die Amerikaner haben auch teilweise höhere Zölle, etwa 25 Prozent für Kleinlastwagen.

Ist die deutsche Regierung bei ihren Exporten erpressbar? Die USA sind wichtigster Handelspartner.

Ja, die Deutschen sind erpressbar. Deshalb kommen in diesen Themenkomplex andere Dinge hinein wie die Erhöhung des Verteidigungshaushalts.

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