Amtsenthebungsverfahren in Brasilien: Präsidentin soll getrickst haben

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff soll den Haushalt geschönt haben. Parlamentspräsident und Rousseffs Erzfeind Eduardo Cunha nahm den Antrag an.

Dilma Roussef, als einzige in Rot gekleidet, steht in einer Reihe mit anderen Staatschefs

Dilma Roussef (in rot): Noch steht sie neben Trudeau, Turnbull, Hollande und Bachelet. Foto: ap

BRASÍLIA afp | In Brasilien ist ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff eingeleitet worden. Der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, nahm am Mittwoch einen Antrag der konservativen Opposition an, die der linken Präsidentin vorwirft, den Haushalt geschönt zu haben. Damit startet ein langes Verfahren, in dem mehrere Hürden genommen werden müssen, bevor endgültig über Rousseffs Verbleib an der Staatsspitze entschieden wird.

Die konservative Opposition wirft der Politikerin der Arbeiterpartei vor, den Haushalt unter anderem im Wahljahr 2014 geschönt zu haben. Ein Gericht erklärte den Etat im Oktober dieses Jahres wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für illegal. Bei der Präsidentschaftsstichwahl im Oktober 2014 war Rousseff im Amt bestätigt worden. Sie hatte aber nur knapp drei Prozentpunkte Vorsprung vor ihrem konservativen Herausforderer Aécio Neves erzielt.

„Ich bin überzeugt und vollkommen sicher, dass dieser Antrag jeder Grundlage entbehrt“, sagte Rousseff im Fernsehen. Sie habe „keine einzige illegale Tat“ begangen. Experten sehen die Vorwürfe gegen die Präsidentin als relativ schwach begründet an, verweisen aber auch auf ihre Unbeliebtheit in der Bevölkerung und die abnehmende Unterstützung in der eigenen Partei. Die Zustimmungswerte der Staatschefin sanken zuletzt auf weniger als zehn Prozent.

Im Oktober entschied der Oberste Wahlgerichtshof TSE, gegen Rousseff wegen Korruptionsverdachts zu ermitteln. Konkret soll geprüft werden, ob Rousseff ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanzierte. Auch gegen ihren Erzfeind Cunha gibt es Korruptionsvorwürfe in der Petrobras-Affäre. In dem weitläufigen Skandal, der seit Jahren die brasilianische Politik erschüttert, sind dutzende Politiker verschiedener Parteien verwickelt.

Handlungsfähigkeit blockiert

Der Vorsitzende des Unterhauses, Cunha, sagte bei der Annahme des Antrags zur Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens, er habe daran „keine Freude“. Brasilianische Medien warfen ihm aber vor, „Rache“ üben zu wollen, nachdem Abgeordnete von Rousseffs Arbeiterpartei gefordert hatten, Cunha wegen seiner Verwicklung in die Petrobras-Affäre von seinem Posten zu entfernen. Der Streit im Parlament blockiert zunehmend die Handlungsfähigkeit der Regierung.

Die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt kämpft seit Monaten mit einer schweren Wirtschaftskrise: Das Bruttoinlandsprodukt sank im dritten Quartal um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Inflation sowie die Arbeitslosigkeit steigen, während die Währung deutlich an Wert verlor. In dieser Situation schafft das Amtsenthebungsverfahren, das bis zu einer abschließenden Entscheidung Wochen dauern dürfte, zusätzliche politische Unsicherheit.

In einem ersten Schritt muss nun binnen zwei Wochen ein Sonderausschuss gebildet werden, in dem alle Parteien vertreten sind. Spricht sich dieser für das Amtsenthebungsverfahren aus, geht die Frage ins Abgeordnetenhaus zur Abstimmung, wobei eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Sollte diese zustande kommen, würde Rousseff suspendiert und durch ihren Vize Michel Temer abgelöst. Anschließend müsste der Senat mit Zweidrittelmehrheit ihre Absetzung beschließen.

Rousseffs Arbeiterpartei verfügt im Unterhaus über 314 Abgeordnete und könnte damit eine Zweidrittelmehrheit verhindern, für die 342 der 513 Abgeordneten notwendig sind. Allerdings ist offen, ob alle Abgeordneten der Arbeiterpartei zu Rousseff stehen.

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