Anerkennung der Sinti und Roma: Ein schönes Gefühl

Zum fünften Mal stimmt das Parlament in Kiel darüber ab, die Minderheit der Sinti und Roma in die Landesverfassung aufzunehmen.

Lange Tradition in Deutschland: Sinti und Roma bei der Einweihung eines Lokals. Bild: dpa

KIEL taz | 13 weiße Häuser für 13 Großfamilien: „Maro Temm“, „unser Platz“, heißt die Siedlung am Rand von Kiel. Das Wohnprojekt wirkt wie eine Ansammlung schlichter Reihenhäuser. Doch es ist ein Ort, den die Sinti und Roma sich geschaffen haben. Die Minderheit lebt seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein, nun könnte sie erstmals in der Verfassung erwähnt werden.

Einen entsprechenden Gesetzesantrag bringt die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW in die Landtagssitzung ein, die heute in Kiel beginnt. Zwei Drittel der Abgeordneten müssten dafür stimmen. Es ist der fünfte Versuch, diese Änderung politisch durchzusetzen.

„Wir sind dieses Mal zuversichtlich“, sagt Anna Weiß, Geschäftsführerin des Landesverbandes der Sinti und Roma. „Wir gehören nun einmal zu den drei Minderheiten im Land, warum schließt man uns also aus?“ Zurzeit sind in der Landesverfassung nur „die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe“ erwähnt, die „Anspruch auf Schutz und Förderung“ haben. Laut dem Antrag der rot-grün-blauen Koalition soll in die Aufzählung „die Minderheit der deutschen Sinti und Roma“ eingefügt werden.

Ändern würde sich für die rund 5.000 Angehörigen der Minderheit, die in Schleswig-Holstein leben, dadurch gar nichts. Vermutlich würden die Sinti und Roma nach gelungener Verfassungsänderung schnell zur Tagesordnung übergehen, vermutet Anna Weiß: „Es ist ein symbolischer Akt.“ Dennoch sei der wichtig: „Auch wir haben Anspruch auf Schutz und Förderung. Es ist eine moralische Verpflichtung.“

Dänen und Friesen sind die bisher in der Verfassung anerkannten Minderheiten in Schleswig-Holstein. Beide Gruppen werden politisch vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) vertreten.

Zur dänischen Minderheit zählen sich etwa 50.000 Menschen.

Das heutige Schleswig-Holstein zählte jahrhundertelang zum dänischen Königreich. Nach der Ablösung blieben viele Dänen auf deutschem und Deutsche auf dänischem Gebiet.

Der friesischen Volksgruppe zugehörig fühlen sich ebenso viele, das ist etwa ein Drittel der Bevölkerung im Kreis Nordfriesland.

Gesprochen werden in Schleswig-Holstein fünf Sprachen: Hoch- und Plattdeutsch, Dänisch, Friesisch und Romanes. EST

Die Sinti und Roma wurden im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verfolgt, vertrieben und geächtet. Allein in der NS-Zeit starben etwa 400 Angehörige der Minderheit aus Schleswig-Holstein in den Vernichtungslagern, heißt es auf der Homepage der Minderheitenbeauftragten Renate Schnack. So wäre die Verfassungsaufnahme für Anna Weiß eine lange erhoffte Gleichsetzung und „das schöne Gefühl, es endlich geschafft zu haben“.

Schleswig-Holstein wäre das erste Bundesland, das die Minderheit, deren Angehörige in ganz Deutschland leben, auf diese Weise in der Verfassung benennt. Eben weil aber die Sinti und Roma keine landestypische Minderheit sind, hat die CDU Probleme mit dem Antrag. Zuletzt 2011 beantragte die damalige Opposition, die Verfassung zu ändern. Die CDU-Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann enthielt sich und begründete es mit einem formalen Einwand: Als bundesweite Minderheit seien die Sinti und Roma eben nicht mit „Friesen und Dänen“ zu vergleichen. Der Bund, nicht das Land, sei zuständig, sie als Minderheit anzuerkennen.

Die Regierungskoalition hofft dennoch auf Stimmen aus allen drei Oppositionsparteien, unter anderem von den Piraten. Deren Sozialexperte Wolfgang Dudda schätzt die Stimmung seiner Fraktion als sehr offen für das Thema ein: „Bei uns gibt es zwar keinen Fraktionszwang, dennoch ist die Vernunft nicht abwesend.“

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