Anfrage der AfD Sachsen-Anhalt: Kein Mut zur Wahrheit

Die AfD Sachsen-Anhalt hat Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität angefragt – und schweigt nun. Die meisten Straftaten kommen von rechts.

Ein Mann, André Poggenburg

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Poggenburg sieht Probleme mit dem Islam, Merkel und Justizminister Maas – auch mit Rechtsextremismus? Foto: dpa

BERLIN taz | Wo ist denn nur der viel beschworene „Mut zur Wahrheit“ abgeblieben? Die AfD-Fraktion von Sachsen-Anhalt forderte die Landesregierung in einer kleinen Anfrage auf, Fakten vor allem zu linken Straftaten zu liefen.

„Bei der Bekämpfung des Linksextremismus, der die geistige Grundlage linksmotivierter Straftaten bildet, halten sich die Regierungsparteien jedoch bewusst bedeckt“, unterstellte in der Anfrage der AfD-Abgeordnete Jan Wenzel Schmidt.

Es müssten Fakten her, um die Basis für polizeiliche Ermittlungen zu bilden. Nun kam heraus, dass die Antwort schon seit dem 20. Juli vorliegt. Doch die AfD-Fraktion – schwieg. Und auch von dem von dem ansonsten so mitteilungsfreudigen Landesverband kam zum Thema keine Stellungnahme. Nicht einmal ein Facebook-Post. Hat ihnen das Ausmaß an rechtsmotivierter Kriminalität die Sprache verschlagen?

Eindeutige Zahlen

Von 2.162 politisch motivierten Delikten, die 2015 im Sachsen-Anhalt erfasst wurden, sind lediglich 230 von Linken verübt worden und nur 15 von Ausländern. Mehr als 80 Prozent der Straftaten haben dagegen Rechte zu verantworten – darunter 93 Körperverletzungen, 274 Fälle von Volksverhetzung und 1.037 Propagandadelikte. 2015 wurden insgesamt 175 Tatverdächtige ermittelt. 16 Linke und 154 Rechte.

Seitens der AfD fanden diese Zahlen zunächst keine Verbreitung – in sozialen Netzwerken und einigen Medien hingegen schon. Nach diesen Berichten sah sich Anfragensteller Wenzel Schmidt offenbar genötigt, sich – nach über einem Monat – doch noch zu den Zahlen zu äußern. Auf Facebook schreibt er, „einige linke Trolle“ würden versuchen, die Ergebnisse seiner Anfrage zu instrumentalisieren. Nach seiner Einschätzung können „die Linksextremisten“ Propaganda-Delikte und Volksverhetzung „quasi gar nicht begehen“.

Also rechnet er diese weg und stellt in einem Tortendiagramm unter der Überschrift „Politisch-motivierte Gewalttaten in Sachsen-Anhalt (2015)“ 158 linke Delikte 220 rechten Delikten gegenüber. Wie diese Werte zustandekommen sollen, bleibt für Außenstehende schleierhaft. Denn in der Antwort der Landesregierung stehen 41 linke Körperverletzungen gegen 93 rechte, drei linke Bedrohungen gegen 21 rechte und ein linkes Branddelikt gegen fünf rechte.

Klarer Handlungsauftrag

„Ich werde mich zukünftig im Finanzausschuss dafür einsetzen, dass die Mittelvergabe evaluiert und dass auch linke Gewalt in Sachsen-Anhalt aufgearbeitet wird,“ kündigt Wenzel Schmid an und lässt unerwähnt, dass schon heute 43 Prozent der links-motivierten Straftaten aufgeklärt werden (bei rechten Straftaten liegt dieser Wert bei 51,5 Prozent).

„Faktenlage und konkretes Bedrohungspotenzial müssen Ausgangspunkt polizeilicher Ermittlungen bleiben,“ hieß es in Wenzel Schmidts Vorbemerkung zur Anfrage. Nun liegen die Fakten vor. Den Mut zur Wahrheit, ihre Unterstellungen zu revidieren, hatte die AfD jedoch nicht.

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