Angespannte Lage in der Ukraine: Spezialeinheiten räumen Barrikaden

Die Polizei geht gegen die Demonstranten vor, die das Regierungsviertel in Kiew belagern. Festgenommen wurde niemand. Vermitteln will jetzt Catherine Ashton.

Viel Polizei für – in diesem Fall – recht wenig Barrikaden. Bild: dpa

KIEW dpa/ap | Ukrainische Sicherheitskräfte haben die prowestlichen Demonstranten aus dem seit Tagen belagerten Regierungsviertel von Kiew vertrieben. Hunderte Mitglieder der Spezialeinheit „Berkut“ (Steinadler) räumten Barrikaden aus Mülltonnen und Stacheldraht. Als sich Protestierer mit Reizgas und Stöcken wehrten, seien zwei Beamte verletzt worden, sagte ein Behördensprecher der Internetzeitung Ukrainskaja Prawda. Festnahmen gab es zunächst nicht.

Auch Boxweltmeister Wladimir Klitschko habe sich friedlich der Polizei entgegengestellt, teilte die Oppositionspartei Udar (Schlag) seines Bruders Vitali mit. Der Chef der rechtspopulistischen Oppositionspartei Swoboda, Oleg Tjagnibok, sagte, zehn Demonstranten hätten ebenfalls Verletzungen erlitten. Medienberichten zufolge waren insgesamt etwa 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. An diesem Dienstag läuft ein Ultimatum der Behörden ab. Sie fordern, dass Regierungsgegner besetzte Gebäude räumen.

Eine Spezialeinheit der Polizei soll am Montagabend die Zentrale der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gestürmt haben. Die Sicherheitskräfte hätten mehrere Computer beschlagnahmt und sich dann wieder zurückgezogen, sagte Parteisprecher Ostap Semerak der Nachrichtenagentur AP.

Auf den Straßen Kiews bleibt die Lage weiter gespannt. Polizisten kesselten am Montag auch kleinere Protestlager ein, etliche Zelte wurden eingerissen. Umstellt wurde zudem ein von Demonstranten besetztes Verwaltungsgebäude: Am frühen Dienstmorgen fiel dort plötzlich der Strom aus, woraufhin die Besetzer herauskamen.

Sie rechneten damit, dass die Polizei zum Sturm auf das Gebäude ansetzen würde. Eine kleine Gruppe blieb jedoch auf den Stufen und der Straße stehen. Drei Stunden später ging das Licht wieder an und die Demonstranten kehrten in das Gebäude zurück.

Ashton in Kiew

Am Dienstag will auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kiew zwischen Regierung und Opposition vermitteln. Ashton werde sich sowohl mit Vertretern der Führung um Präsident Viktor Janukowitsch als auch mit den Regierungsgegnern um Boxweltmeister Vitali Klitschko treffen, kündigte ihre Sprecherin an. Janukowitsch will zudem mit seinen drei Amtsvorgängern die Situation in der früheren Sowjetrepublik besprechen.

US-Vizepräsident Joe Biden forderte Janukowitsch am Montag zum Dialog mit der Opposition auf. Zugleich äußerte sich Biden in einem Telefonat mit Janukowitsch besorgt über die Lage im Land, wie das Weiße Haus mitteilte. "Der Vizepräsident unterstrich die Notwendigkeit, auf eine sofortige Deeskalation der Lage hinzuwirken und einen Dialog mit den Oppositionsführern zu beginnen." Gewalt habe keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft, mahnte Biden.

Die Opposition in der Ex-Sowjetrepublik demonstriert seit rund drei Wochen gegen die Führung des Landes, die auf Druck Moskaus ihren EU-Kurs gestoppt hatte. Demonstranten versperrten Straßen und Gehwege der Hauptstadt mit Stacheldraht, Baumstämmen und Autos. Beobachter in Kiew sprachen von einem „unerbittlichen Stellungskrieg wie bei Partisanen“. Ihnen standen Hunderte Polizisten mit Helmen, Schutzanzügen und Schilden am Unabhängigkeitsplatz (Maidan) und dem benachbarten Prachtboulevard Kreschtschatik gegenüber.

Nach jüngsten Angaben hat das Innenministerium inzwischen rund 6000 Sicherheitskräfte in Kiew zusammengezogen. Klitschko kritisierte den Aufmarsch scharf. Der prorussische Präsident Janukowitsch versuche vermutlich, die mehreren Tausend Regierungsgegner einzuschüchtern. „Aber wir bleiben. Ich rufe alle Regierungsgegner auf, zum Maidan zu kommen“, sagte Klitschko.

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