Angst vor Fracking: "Bohrt doch in der Nase"

Die Ergebnisse einer Erkundungsbohrung in der Osnabrücker Gegend will jetzt der Energiekonzern Exxon Mobil bekannt geben. Anwohner fürchten, dass die drohende Gasförderung ihre Gesundheit gefährdet.

Protest am Sonntagnachmittag: Demonstration gegen Fracking zwischen den Bädern Laer und Rothenfelde. Bild: Seyfert

OSNABRÜCK taz | Mit hellen Stimmen singen Kinder auf der Landstraße. „Bohrt doch in der Nase, nicht in unsrer Erde“, tönen sie an der Spitze des Demonstrationszugs. Am Südhang des Teutoburger Waldes, zwischen den Städtchen Bad Laer und Bad Rothenfelde (Landkreis Osnabrück), hat der Energiekonzern Exxon Mobil per Erkundungsbohrung das Gestein nach Erdgasvorkommen untersucht. Jetzt wird hier vielleicht bald die umstrittene Fördermethode Fracking zum Einsatz kommen. Viele Menschen in den umliegenden Gemeinden halten das für zu gefährlich – für ihr Wasser, ihre Sole und ihren Boden. Deshalb haben mehr als tausend Menschen ihren Sonntagsspaziergang an diesem Nachmittag auf die Landstraße verlegt.

Mit Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, lässt sich Gestein unter Hochdruck mit großen Mengen Wasser, Chemikalien und Sand brechen. Damit ist es möglich, Gas zu gewinnen, das bislang als unförderbar galt: In großen Tiefen wird „unkonventionelles Gas“ aus Muttergestein gesprengt und aus den Gesteinsrissen gepresst.

Gas wird zwar seit vielen Jahren in Deutschland gefördert, besonders in Niedersachsen. Mit dem brachialen Fracking aber drohen neue, erhebliche Gefahren für die Umwelt. In der Gemeinde Völkersen südöstlich von Bremen etwa kam es bei Bohrungen von RWE Dea bereits zu Unfällen, ebenso nahe Rotenburg, wo sich Exxon Mobil engagierte. Mit Chemikalien verseuchtes Lagerstättenwasser aus den Bohrungen gelangte ins Erdreich und ins Grundwasser.

Fracking ist ein Kurzwort für die Methode des "Hydraulic Fracturing", das Aufbrechen von Gesteinsschichten mit Wasserdruck.

Entwickelt hat sie 1947 die Erdöl-Company Halliburton. Mittlerweile gilt Fracking als die am meisten verbreitete Förderungs-Technik für Erdgas und öl. Dabei werden tausende Liter einer Flüssigkeit, meist Wasser, auf die betreffende Gesteinsschicht gepresst, so dass Risse entstehen, durch die sich eingelagerte Gas- oder Öl-Reservoirs ausbeuten lassen.

Um diese Risse zu stabilisieren - offen zu halten -, aber auch, um unerwünschte Mineralien zu lösen, das Korridieren der Geräte zu verhindern, die Fließeigenschaften zu verbessern und Bakterienanlagerungen zu unterbinden, werden dem Wasser Säuren, Mikrobizide, Schaumbildner und andere Chemikalien beigefügt. Viele dieser Zusätze gelten als krebserregend.

Populär wurde das Wort "frack" durch die TV-Science-Fiction-Serie "Battlestar Galactica" (1978-80). In ihrem Remake (2003-09) ersetzt es das Verb "fuck" in allen Schattierungen - von "We are well and truly frakked" (dt.: Man hat uns wahr und wahrhaftig gefrackt) bis zum unübersetzbaren: "You motherfrakker!" Zu den Trivia der Serie gehört, dass das Wort erfunden wurde, um der Prüderie US-amerikanischer Medienaufsicht zu umgehen.

Die Gefahr fürs Wasser ist hier, am südlichen Zipfel von Niedersachsen, besonders groß. Bad Laer und Bad Rothenfelde sind Badekurorte, die eine kohlensäurehaltige Sole zu bieten haben. Die Gesteinsschichten, die die Sole bergen, liegen dicht an den Kohleflözen, in denen Gas vorkommt. „Unser Gleichgewicht von Sole und Trinkwasser ist besonders sensibel und gefährdet“, sagt Anna Kebschull auf der Kundgebung am Waldrand, dicht beim umzäunten Gelände der Probebohrung.

Die 39-Jährige ist Sprecherin der Interessengemeinschaft gegen Gasbohren in Bad Rothenfelde. Die Erdschichten, die das Trinkwasser respektive das Solewasser bergen, liegen nach geologischen Kenntnissen sehr nahe zusammen. Sie könnten sich vermischen, wenn in den Tiefen gebohrt und gesprengt wird, geben Geologen zu bedenken. „Die Sole könnte zum Trinkwasser aufsteigen“, warnt Kebschull, „dann ist es vorbei mit unseren Heilbädern und unserer Lebensmittelindustrie.“ Die nämlich ist in der Umgebung zahlreich vertreten, und etliche der Firmen speisen ihre Produktion aus eigenen tiefen Brunnen.

Die Gemeinderäte und der Landkreises Osnabrück haben parteiübergreifend und einstimmig Beschlüsse gegen das Fracking gefasst. Allerdings haben Kommunalpolitiker nichts zu sagen, wenn es um Erdgas auf ihrem Gebiet geht: entschieden wird ausschließlich auf Landesebene. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie ist ausführendes Organ des bundeseinheitlichen Bergrechts. Und das ist in seiner gegenwärtigen Fassung ausschließlich an wirtschaftlichen Interessen orientiert.

„Wir fordern eine Änderung des Bergrechts, die Öffentlichkeit muss beteiligt und eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend vorgeschrieben werden“, wendet sich Anna Kebschull an den Gesetzgeber – und an die SonntagsdemonstrantInnen bei gespendetem Kuchen und Limonade. „So lange diese Änderung nicht geschehen ist, fordern wir ein Moratorium!“

Am morgigen Mittwoch wird Exxon Mobil in Osnabrück das Ergebnis der Probebohrungen und die weiteren Pläne für Bad Laer und Umgebung bekannt geben: Man organisiert eine Konferenz in der Stadthalle, bei der ein von dem Konzern bezahlter „neutraler Expertenkreis“ die Ergebnisse in einer „Risikostudie“ vorstellen und Empfehlungen aussprechen wird. Exxon Mobil nennt das „Informations- und Dialogprozess“, zum Dialog wurden aber weder Initiativen noch Politiker vor Ort je eingeladen.

Anna Kebschull und ihre MitstreiterInnen sind mit einem Info-Stand da. Und wollen damit aufmerksam machen auf ihre massiven Bedenken.

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