Angst vor Neuwahlen in NRW: FDP will mit Rot-Grün schmusen

Aus Angst vor Neuwahlen dient sich die FDP der rot-grünen Minderheitsregierung an. Bisher hatten die Freidemokraten auf eine scharfe Abgrenzung gesetzt.

Will jetzt eine "konstruktive Opposition" sein: FDP Fraktionschef Gerhard Papke. Bild: dpa

KÖLN taz | Die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag macht es SPD und Grünen nicht leicht. Sie will den beiden Parteien keine Gelegenheit geben, per Neuwahlen zu einer stabilen eigenen Mehrheit im Parlament zu gelangen. Jetzt dient sich auch noch die FDP der rot-grünen Minderheitsregierung an. Denkbar erscheint sogar, dass sie den Landeshaushalt 2012 passieren lassen könnte. Ein Scheitern bei der für das nächste Frühjahr geplanten Abstimmung hatten Parteistrategen von SPD und Grünen eigentlich zum Anlass für einen vorgezogenen Urnengang nehmen wollen.

Es ist ein überraschender Gesinnungswandel. Bislang hatten die Freidemokraten auf einen scharfen Abgrenzungskurs gesetzt. Der von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft postulierten "Koalition der Einladung" beschied FDP-Landtagsfraktionschef Gerhard Papke stets nur kühl: "Rot-Grün sucht nützliche Idioten." Außerdem setzten SPD und Grüne ohnehin "brutal auf eine strategische Mehrheit mit den Linksextremisten".

Keine ernsthafte Annäherung

Nun hat Papke Strategie und Tonlage gewechselt. "Wir können auch moderat", verspricht er. Künftig wolle seine Partei als "konstruktive Opposition" agieren. So hat sich Papke denn auch bereits mit seinem SPD-Pendant Norbert Römer vertraulich zum Kaffee getroffen. Eines der ersten konkreten Ergebnisse der neuen liberalen Offenheit dürfte die Zustimmung zum rot-grünen "Stärkungspakt Stadtfinanzen" sein, mit dem notleidenden Kommunen geholfen werden soll.

Regierungschefin Kraft zeigte sich erfreut, dass die FDP nicht weiter "Fundamentalopposition betreibt". Skeptisch reagieren die Grünen, die seit den Zeiten Jürgen W. Möllemanns eine herzliche Abneigung mit der NRW-FDP verbindet. "Wir schlagen kein Dialogangebot aus", sagt zwar der grüne Landtagsfraktionsvorsitzende Reiner Priggen.

Aber an eine ernsthafte inhaltliche Annäherung glaubt er nicht: "Objektiv ist der Kurswechsel sicherlich den Umfragewerten geschuldet." Tatsächlich muss die FDP die größte Angst vor Neuwahlen haben. Während die Linkspartei knapp den Wiedereinzug schaffen könnte und auch die Piratenpartei von Parlamentssitzen träumen kann, sehen die Demoskopen die FDP auch in NRW derzeit unter der Fünfprozenthürde.

Als die rot-grüne Minderheitsregierung im Juli 2010 ihre Arbeit aufnahm, hätte niemand darauf gewettet, dass sie eine volle Legislaturperiode überstehen könnte. Offen schien nicht die Frage, ob es vorgezogene Neuwahlen geben würde, sondern nur, wann. Doch Hannelore Krafts "Koalition der Einladung" erweist sich wider Erwarten stabiler als gedacht. Trotz der einen fehlenden Stimme zur eigenen Mehrheit unterlag sie im Parlament nur in einer von bisher 384 Abstimmungen.

Mit allen im Geschäft

Geholfen hat ihr dabei vor allem die Linkspartei. Mit ihrer Hilfe bekam Rot-Grün die im Wahlkampf versprochene Abschaffung der Studiengebühren durch, ebenso die Gebührenfreiheit für das letzte Kitajahr. Aber auch mit den Christdemokraten ist Rot-Grün mittlerweile im Geschäft. So verständigten sich SPD und Grüne mit der CDU auf eine Schulreform. Am kommenden Donnerstag dürfte der Landtag mit den Stimmen der drei Parteien sowohl die gesetzliche Grundlage zur Einführung der Sekundarschule schaffen als auch die Bestandsgarantie für die Hauptschule aus der Landesverfassung streichen. "Unsere Leistungsbilanz kann sich absolut sehen lassen", schwärmt Priggen.

Die Chancen für Rot-Grün, auch den Haushalt 2012 durch das Parlament zu bringen, scheinen allerdings schlecht. Sowohl bei der CDU als auch bei der Linkspartei stehen die Zeichen auf Ablehnung. "Wer von vornherein einen unsozialen Haushalt 2012 plant, um ihn termingerecht platzen zu lassen und vor der Sommerpause genehme Neuwahlen herbeizuführen, schadet ganz eindeutig dem Land und einem Politikwechsel für NRW", kritisiert der Linksfraktionsvize Rüdiger Sagel. Doch er könnte irren: Inzwischen sieht es danach aus, dass es wieder nichts mit Neuwahlen wird. Dank der FDP.

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