Anhänger Gaddafis in Niger: Spuren in der Wüste

Exilkräfte des gestürzten Diktators sammeln sich offenbar in Niger. Gaddafisten, Islamisten und Tuareg-Rebellen bereiten den Regierungen der Region zunehmend Sorge.

Flüchtlinge aus Libyen landen in Niger. Bild: reuters

BERLIN taz | Das Gaddafi-Regime ist gestürzt, aber die Schockwellen des libyschen Krieges breiten sich weiter aus. Niger steht an vorderster Front, nachdem am 6. November in der nordwestlichen Wüstenregion Arlit nahe der Grenze zu Mali 14 Menschen bei einem Scharmützel zwischen Soldaten und unidentifizierten Bewaffneten ums Leben kamen.

Am vergangenen Donnerstag machten Sicherheitskreise in Niger dafür ehemalige "Pro-Gaddafi-Tuareg aus Mali auf dem Rückweg aus Libyen nach Mali" verantwortlich. Andere Quellen berichteten, auch flüchtige Libyer seien unter den Angreifern gewesen. Sie hätten Sturmgewehre, automatische Gewehre und Raketenwerfer dabeigehabt.

Seit dem Sturz Gaddafis im August gibt es immer wieder Berichte, wonach libysche Soldaten sowie nigrische oder malische Tuareg-Söldner über die unmarkierte und unbewachte Wüstengrenze aus Libyen nach Niger geflüchtet sind. Dass sich die Truppen des gestürzten Diktators im Grenzgebiet neu formieren, davor hatte Libyens Übergangsregierung ausgerechnet am 20. Oktober gewarnt, wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Gaddafis Tod. Die Nachricht ging deswegen damals völlig unter.

Am vergangenen Freitag jedoch erklärte Nigers Regierung, sie habe dem flüchtigen Gaddafi-Sohn Saadi "humanitäres" Asyl gewährt. Ein anderer Gaddafi-Sohn, der vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesuchte Seif al-Islam, soll sich nach französischen Berichten bei bewaffneten Tuareg im Norden Nigers aufhalten.

"Befreiungsfront" macht mobil

Im Internet macht inzwischen eine "Libysche Befreiungsfront" (FLL) von sich reden. Sie soll sich vor Kurzem in Niamey konstituiert haben, unter Führung von Angehörigen zweier Gaddafi-treuer libyscher Stämme. Sie verfügten über modernste elektronische Geräte, heißt es in einem Bericht aus Nigers Hauptstadt. Sie wollten einerseits 2012 bei Libyens geplanten Wahlen antreten, andererseits mit einer Taktik der militärischen Nadelstiche einen "Volkskrieg" in ihrer Heimat vorbereiten. "Über 800 Organisatoren sind in Niger angekommen, und wir erwarten jeden Tag mehr", wird ein Flüchtling aus Sirte in einem vergangene Woche in Niger veröffentlichten Bericht zitiert.

In vergangenen Jahrzehnten finanzierte Libyens Gaddafi-Regime gerne Tuareg-Rebellen in Niger und Mali, um dann nach den somit entfachten Konflikten Vermittlung anzubieten und die Regierungen der beiden Länder in Abhängigkeit zu zwingen. Manche dieser Tuareg-Kämpfer wurden dieses Jahr von Gaddafi angeworben und sind jetzt auf dem Rückweg in ihre Heimatländer.

Aus Mali wird gemeldet, die aus Libyen zurückkehrenden malischen Tuareg seien höchst empört darüber, dass sich in ihrer Heimatwüste mittlerweile die islamistische "Al-Qaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) breitgemacht hat. Sie hätten der AQMI den Kampf angesagt und die alten Embleme der malischen Tuareg-Rebellion der 1990er Jahre wieder hervorgeholt. Malis Regierung in der Hauptstadt Bamako sieht das mit gemischten Gefühlen. Am Sonntag brach eine Politikerdelegation zu Gesprächen mit den Neuankömmlingen auf.

Bewaffnete Islamisten der Sahel-Region sehen sich ebenfalls gestärkt. Der algerische AQMI-Führer Mokhtar Belmokhtar erklärte letzte Woche gegenüber der mauretanischen Nachrichtenagentur ANI, seine Organisation habe viele Waffen aus Libyen erbeutet und seine Kämpfer seien "die größten Nutznießer der arabischen Revolutionen". Es gilt auch als sicher, dass AQMI mit der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria zusammenarbeitet, die ihre Anschläge in jüngster Zeit deutlich ausgeweitet hat. Algeriens Vizeaußenminister Abdelkader Messahel sagte am Samstag, dies stehe "außer Zweifel".

Auf einem Sondergipfel Anfang Dezember wollen Algerien, Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria und Tschad über die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Region sprechen. Ein vorbereitendes Außenministertreffen ist diese Woche in Mauretanien geplant. Nigers Regierung hat im Vorfeld um internationale Militärhilfe gegen "islamistische Kämpfer aus Libyen und anderen Ländern sowie kriminelle Schmuggler von Waffen, Drogen und Menschen" gebeten, wie Präsident Mahamadou Issoufou am Wochenende in Südafrika sagte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.