Anke Feuchtenberger Ausstellung: Körper von Frauen und Nacktschnecken
Körper ziehen sich durch die Kunst von Anke Feuchtenberger. Nun wird ihr Werk, samt ihrer ikonischen Plakate für die Frauenbewegung, ausgestellt.

taz | „Der Körper ist das einzige Haus, das wir haben“, zitiert Kuratorin Dörte Ahrens die Künstlerin Anke Feuchtenberger bei einem geführten Rundgang durch die Feuchtenberger-Ausstellung, die jetzt im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus zu sehen ist. Die Schau ist ein kleiner Rundumschlag durch das Werk der vor allem für ihre ungewöhnlichen Comics bzw. Graphic Novels – keiner dieser Begriffe trifft es wirklich – bekannt gewordenen Künstlerin. Das eingangs angeführte Zitat bezieht sich auf Feuchtenbergers Arbeit „Das Haus“, die anno 2000 als Fortsetzungs-Comic in den Berliner Seiten der FAZ erschien.
In extrem schmalem Hochformat (in Buchform erschienen im Reprodukt Verlag) dekliniert Feuchtenberger im engen Rahmen eines mehrstöckigen Hauses mit surrealistisch verrätselten Bildern und Worten den menschlichen Körper durch.
Aus geradezu körperlicher Sehnsucht nach Berlin sei diese Arbeit entstanden – in Folge 6, „Der Nabel“, ist der Fernsehturm erkennbar –, hat die Urheberin selbst dazu erklärt. Sie war damals gerade nach Hamburg gezogen, wo sie heute immer noch als Professorin für Graphische Erzählung und Zeichnen tätig ist. Ihren Lebensmittelpunkt hat sie jedoch inzwischen nach Vorpommern verlegt, jenen Landstrich, in dem sie einst aufwuchs.
Der größte Raum der Schweriner Ausstellung ist Feuchtenbergers Plakatkunst gewidmet, einem Schwerpunkt ihres Frühwerks. 1963 in Ost-Berlin geboren, erlebte die Künstlerin die Wendezeit als junge Mutter und begann sich verstärkt mit gesellschaftlich geformten Frauenbildern auseinanderzusetzen.
Anke Feuchtenberger: „Genossin Kuckuck und andere Gestalten“. Schleswig-Holstein-Haus, Schwerin,
bis 23. November
Wer in den neunziger Jahren in Berlin lebte, wird unweigerlich irgendwo Feuchtenbergers ikonisches Plakat mit der Aufschrift „Alle Frauen sind mutig! stark! schön!“ gesehen haben, mit dem der neugegründete Unabhängige Frauenverband 1990 in den Wahlkampf zog. Die Künstlerin sei damals, erzählt die Kuratorin, mit diesem Plakat einfach beim Frauenverband aufgekreuzt und prompt wieder weggeschickt worden. Doch dann sei eine Frau ihr nachgelaufen und habe gemeint, vielleicht sei da ja doch etwas möglich …
Zur Schweriner Ausstellung hat Feuchtenberger das Plakat als Lithografie neu aufgelegt. – Für Bündnis 90/Die Grünen entstand in den 90ern ein weiteres ikonisches Bild: „Mein Bauch gehört mir!“ steht neben einer expressionistisch stilisierten, nackten Frauengestalt mit wehender lila Haarmähne und einem Baby auf dem Arm.
Dieses Motiv, Frau mit anhängendem Kleinkind, findet sich auch in viel späteren Feuchtenberger-Werken immer wieder. Auch in „Bärmi und Klett“, einem ihrer ersten Werke im Comic-Sektor aus den 90er Jahren, ist das Eltern-Kind-Thema zentral. Und selbst in der sehr viel später entstandenen Graphic Novel „Die hure h“, einem in komplexer Weise dem weiblichen Körperbild nachspürenden Werk, taucht das Kind auf dem Arm wieder auf.
Rezeption in Deutschland erst spät
Im europäischen Ausland, wo zwischen Comic- und sonstiger bildender Kunst eine weniger scharfe Trennlinie gezogen wird oder wurde als hierzulande, wurde Anke Feuchtenberger viel früher intensiv rezipiert als in Deutschland. Aber auch hierzulande hat sich die Wahrnehmung der Bild-mit-Wort-Kunst in den letzten Jahrzehnten entscheidend gewandelt. Eine wirksame Hochkultur-Weihe wurde Feuchtenberger 2024 zuteil, als ihr Opus magnum „Genossin Kuckuck“ für den Literaturpreis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde.
Darin evoziert sie in assoziativer Weise und mit surrealistisch überhöhten Bildern Kindheitserlebnisse und -traumata eines Aufwachsens im ländlichen Osten Deutschlands. Zahlreiche Sequenzen und Einzelbilder daraus sind in der Ausstellung zu sehen. Eigentlich, so wird erkennbar, ist jedes einzelne dieser Bilder nicht nur Teil einer Geschichte, sondern könnte auch für sich allein an einer Wand hängen.
Wobei sich die Frage stellen würde, ob man etwa ein mit hochästhetischer Detailtreue erstelltes Großporträt einer Nacktschnecke wirklich an der Wohnzimmerwand haben wollte. Ihre intensive Beschäftigung mit Schnecken, so hat die Künstlerin einmal im Interview erklärt, sei daraus entstanden, dass dort, wo sie lebe, diese Lebewesen mitunter „zu Hunderten ins Haus gekrochen“ kämen.
Die Ekelgefühle der Menschen den Nacktschnecken gegenüber hätten sie interessiert, denn sie sei das Gefühl nicht losgeworden, als richteten sich diese „in sehr ambivalenter Weise gegen uns selbst. […] Wir alle sind Schleim.“
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