Anklage gegen Demjanjuk: Nazi-Helfer kommt vor Gericht

Der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk darf angeklagt werden. Doch bei manchen hinterlässt der Prozess einen "schalen Beigeschmack".

Die Identifikationskarte des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk in einem Archiv des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes. Bild: dpa

BERLIN taz/rtr/ap | Der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk ist als verhandlungsfähig eingestuft worden. Nach einem ärztlichen Gutachten dürfe die Verhandlungsdauer aber nicht drei Stunden täglich übersteigen, teilte die Staatsanwaltschaft München am Freitag mit.

Der im Mai aus den USA nach Deutschland abgeschobene Demjanjuk leidet unter Nierenversagen, Blutarmut und Wirbelsäulenproblemen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 89-jährigen gebürtigen Ukrainer vor, sich als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor der Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden schuldig gemacht haben. Er selbst bestreitet, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Den Unterlagen der Staatsanwaltschaft zufolge war Demjanjuk von März bis September 1943 in Sobibor eingesetzt. Anhand der Namenslisten der SS schätzen die Ermittler, dass in seiner Zeit in Sobibor mindestens 29.000 Menschen getötet wurden.

Der Fall ist einer der letzten Prozesse, die noch über die NS-Vergangenheit geführt werden. Und es ist der erste Fall eines "Hilfswilligen" des Naziregimes, der vor Gericht kommt.

Julius Schoeps, der Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien, sagte der taz: "Mir wäre es wichtiger gewesen, wenn man vor ein paar Jahren noch die Verantwortlichen verurteilt hätte, und das hat man nicht getan." Insofern hinterlasse der Prozess einen "schalen Beigeschmack". Allerdings sei es wichtig, dass die Ereignisse von damals geschildert werden. Auf das Urteil komme es angesichts des hohen Alters von Demjanjuk nicht an. Zu definieren, ob er ein "Helfer" war und inwiefern er verantwortlich ist, sei, so Schoeps, schwierig.

Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, zeigte sich hingegen sehr zufrieden damit, dass Demjanjuk nun zur Verantwortung gezogen wird. Es sei wichtig, dass ein Mann, "der sich aktiv an der Endlösung beteiligt hat, endlich eine angemessene Strafe bekommt".

Der Anklage nach ist Demjanjuk einer von tausenden "hilfswilligen" Ausländern, die die Nazis in Kriegsgefangenenlagern rekrutierten. Zu ihren Aufgaben gehörte es etwa, die Türen der Züge zu öffnen, in denen Juden herantransportiert wurden, und die Opfer in die Gaskammern zu treiben. Bislang wurde hierzulande noch nie ein solcher "Hilfswilliger" verurteilt.

Demjanjuk war 1952 in die USA ausgewandert. Wegen einer Verwechslung mit dem berüchtigten KZ-Schergen "Iwan der Schreckliche" von Treblinka wurde er schon einmal in Israel angeklagt, schließlich aber freigesprochen. Um die Auslieferung hatte es eine monatelange juristisches Auseinandersetzung gegeben. Bei einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Massenmord drohen Demjanjuk bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Mit der Erhebung der Anklage sei noch im Juli zu rechnen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Prozess vor dem Schwurgericht könnte im September oder Oktober beginnen.

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