Anleger nach der Prokon-Pleite: In den Wind geschossen

Noch ist fraglich, ob Prokon juristisch betrachtet tatsächlich insolvent ist. Die Anleger jedenfalls brauchen zunächst einmal viel Geduld.

Prokon-Mitarbeiter bei einer Pressekonferenz im Firmensitz in Itzehoe. Bild: dpa

FREIBURG taz | Prokon gibt sich zerknirscht am Tag der Insolvenz: „Uns ist klar, dass es Zeit ist, etwas zu verändern“, schreibt das Unternehmen an seine Anleger. Daran zweifelt ohnehin niemand mehr, auch keiner der Anleger, die dem Unternehmen bis zuletzt den Rücken gestärkt hatten. Schließlich hatten mehr als 41.000 von 75.000 Investoren zuvor eingewilligt, rund 800 Millionen Euro ihres Genussrechtskapitals bis Herbst nicht abzuziehen. Am Ende hat es trotzdem nicht gereicht – am Mittwoch hat Prokon Insolvenz angemeldet.

Die Prokon Regenerative Energien GmbH hat nun einen vorläufigen Insolvenzverwalter im Haus, den Hamburger Rechtsanwalt Dietmar Penzlin. Dieser will den Geschäftsbetrieb zunächst ohne Einschränkungen weiterlaufen lassen, was im Hinblick auf die 314 Windkraftanlagen des Unternehmens – 280 davon in Deutschland – zu erwarten war. Schließlich bringen die Maschinen Geld.

Das Amtsgericht Itzehoe wird den Insolvenzantrag auf seine Zulässigkeit prüfen. Das dürfte einige Monate dauern. Noch ist nicht gesagt, dass tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Da nach Aussagen der Firma weder Banken noch Sozialversicherungsträger oder Lieferanten offene Forderungen haben, sind die Genussrechtsinhaber wohl die einzigen Gläubiger, die infrage kommen, ein Rechtsschutzbedürfnis geltend zu machen. Allerdings sind nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2007 nachrangige Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen, da sie als gestundet gelten.

Nach der Prokon-Pleite will die Bundesregierung den „grauen Kapitalmarkt“ strenger regulieren, erklärten Kanzlerin Merkel, Verbraucherminister Heiko Maas und Finanzminister Wolfgang Schäuble am Donnerstag.

Dabei könnte es auch um die Bürgerbeteiligungen gehen, die sehr oft die Erneuerbare-Energien-Anlagen finanzieren. Sie fallen nicht unter die Aufsichtskriterien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen.

Grau ist der Kapitalmarkt der Prokon-Anteile: Die Firma hatte Anlegern riskante Genussrechte im Wert von 1,4 Milliarden Euro verkauft. Die Anleger haben bei diesem Finanzierungsmodell keine Mitspracherechte.

Die taz war 2010 die erste Zeitung, die vor den Prokon-Anlagen und dem mutmaßlichen Schneeballsystem der Firma gewarnt hatte. Der Autor Tarik Ahmia wurde für seine Recherche mit einem Preis ausgezeichnet.

Gelangt das Amtsgericht Itzehoe zu der Einschätzung, dass die Forderungen im Fall Prokon nachrangig sind, müsste es einen Insolvenzantrag ablehnen. Das würde dazu führen, dass Prokon die Forderungen der Genussrechtsinhaber je nach Liquiditätslage bedienen könnte.

Investoren brauchen Geduld

Parallel zu den Prüfungen des Insolvenzgerichts will Prokon „unter Einbeziehung der Anregungen unserer Genussrechtsinhaber das Geschäftsmodell anpassen“. Für den Fall, dass eine langfristige Perspektive des Unternehmens besteht, müsste vor allem ein Aspekt korrigiert werden, den Ökonomen als „fehlende Fristenkongruenz“ bezeichnen: Langfristige Investitionen wurden durch Kapital finanziert, das kurzfristig von den Investoren abgerufen werden kann – ein Teil der Genussrechte war mit einer Frist von vier Wochen kündbar. Betriebswirtschaftlich gilt ein solches Missverhältnis als kapitaler Fehler.

Aber selbst wenn das Insolvenzverfahren eingeleitet wird, brauchen die Investoren Geduld. Ein solches Verfahren dauert Jahre. In dem Fall bekommen die Geldgeber wahrscheinlich irgendwann einen Teil ihrer Einlage zurück. Schließlich verfügt die Firma über Windkraftanlagen mit 526 Megawatt Leistung, wobei die meisten Maschinen den größten Teil ihrer Laufzeit noch vor sich haben. Prokon beziffert den Verkehrswert seiner Anlagen nach internationalen Bewertungsstandards auf gut 613 Millionen Euro und verweist auf weitere Vermögensgegenstände.

Da kein Geld an Banken fließt, könnte der Gegenwert des Vermögens zu großen Teilen an die Investoren ausgeschüttet werden, die 1,4 Milliarden Euro eingebracht haben. Klarheit darüber, welchen Prozentsatz ihrer Einlage die Inhaber der Genussrechte erwarten können, wird aber erst der Insolvenzverwalter schaffen. Zuerst muss er auch klären, welche Vermögensgegenstände den unterschiedlichen Firmen der Prokon-Gruppe zuzuordnen sind.

Unterdessen schlägt der Vorfall Wellen in der Politik. „Wo es Verbrauchern schwerfällt, sich selbst zu schützen, müssen wir für mehr Transparenz sorgen“, sagte Verbraucherminister Heiko Maas (SPD). Schon heute prüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) viele Geldanlagen. Doch der Einfluss der Behörde ist begrenzt, weil sie sich nur auf formale Kriterien stützen kann. Ob ein Investment tatsächlich werthaltig ist und zum Beispiel ein Windstandort wirklich taugt, kann die Bafin nicht prüfen.

Energiewende gebremst

Würden die aufsichtsrechtlichen Auflagen für die Projekte weiter verschärft, könnte damit die Energiewende gebremst werden. Vor allem Initiatoren von Bürgerenergieprojekten klagen schon heute über den hohen Prüfaufwand – und wechseln dann zu Anlagemodellen, die ohne Bafin-Testat auskommen.

Das Renommee der erneuerbaren Energien dürfte durch den Vorfall kaum leiden. Die Struktur der meisten Projekte ist anders als bei Prokon. Die Insolvenz kann daher kaum als Menetekel für die Bürgerprojekte interpretiert werden.

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