Anschlag auf Obdachlose in Berlin: Auf offener Straße angezündet

Vor dem S-Bahnhof Berlin Schöneweide wurden zwei dort schlafende Männer mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet.

Eine Decke mit Lampe und Schalen auf gepflastertem Boden im Gegenlicht

Am Tatort ein Platz der Mahnung Foto: dpa

BERLIN taz | Der oder die Täter müssen sich sehr sicher gefühlt haben, als sie Sonntagabend zwei schlafende Obdachlose mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und anzündeten. Der Tatort liegt an einer für die Gegend auch in den Nachtstunden recht belebten Straße, direkt neben dem Eingang zum Berliner S-Bahnhof Schöneweide. In Sichtweite befinden sich eine Straßenbahnhaltestelle und Imbisse.

Letzteres hat den beiden Opfern eventuell das Leben gerettet. Mit einem Feuerlöscher kamen ihnen Gäste eines Imbiss' zu Hilfe. Mit schweren lebensbedrohlichen Brandverletzungen kamen die beiden 47 und 62 Jahre alten Männer ins Krankenhaus.

Am Montagmorgen, Polizei und Beweissicherung haben ihre Arbeit bereits getan, erinnern Spuren von Ruß und der Löschversuche an das Verbrechen. Vor dem Absperrband liegt eine kleine Decke, darauf zwei Lampen, ein Hundenapf und eine Spendenschale. Ein Schild ruft für den Montagabend, 18 Uhr, zu einer Mahnwache am S-Bahnhof auf.

Die Polizei geht bislang von einem Täter aus. Der konnte unerkannt flüchten. Hintergründe und Motiv der Tat sind unklar. Die Mordkommission ermittelt. Gernot Klemm, Bezirksstadtrat für Soziales in Treptow-Köpenick verurteilte in einer Erklärung die Tat und dankte den Ersthelfern für ihr beherztes Eingreifen.

Tausende Obdachlose in Berlin

Robert Veltmann, Geschäftsführer des sozialen Trägers GEBEWO sieht diese und ähnliche Taten mit einem „Höchstmaß an Schändlichkeit“ behaftet. Es fällt ihm schwer zu verstehen, was die Täter bewegen mag. „Was muss man denn empfinden, wenn man wehrlose Menschen auf der Straße sieht und die dann derart verletzten, anzünden will?“

In Berlin sind deutlich mehr als 40.000 Menschen ohne eigene Wohnung. Die meisten Wohnungslosen sind über verschiedenste Maßnahmen in Einrichtungen untergebracht. Nach Schätzung des Senats leben jedoch 4.000 bis 10.000 von ihnen auf der Straße.

Das Bundeskriminalamt verzeichnet 2017 deutschlandweit mit knapp 1.400 Straftaten gegen Obdachlose einen Anstieg gegenüber 2015 um etwa 40 Prozent. Mehr als die Hälfte der Taten waren Gewaltdelikte wie Körperverletzungen.

Robert Veltmann beobachtet zwar eine Zunahme der gewalttätigen Übergriffe gegen Obdachlose, sieht dabei aber einen Zusammenhang mit der steigenden Zahl der Menschen, die auf der Straße leben. „Relativ gesehen bleibt das Maß an Gewalt gegen Obdachlose eher auf einem gleichbleibend hohen Stand. Obdachlose werden aber insgesamt sichtbarer im öffentlichen Raum und es gibt auch eine höhere mediale Aufmerksamkeit für derartige Übergriffe, als noch vor ein paar Jahren.“

In Schöneweide ist die Zahl der tatsächlich Obdachlosen relativ gering. Der S-Bahnhof ist nach Auskunft des zuständigen Bezirksamtes Treptow-Köpenick zwar regelmäßiger Treffpunkt der Trinkerszene, dort schlafen würden aber nur sehr wenige Menschen. Freie Träger würden dauerhaft versuchen, die verbleibenden Obdachlosen mit einer niedrigschwelligen und aufsuchenden Ansprache zur Annahme von Angeboten der Wohnungslosenhilfe zu bewegen.

Wiederholte Übergriffe

In der Vergangenheit kam es in Deutschland immer wieder zu Übergriffen auf Obdachlose. In Berlin wurden zuletzt im Januar drei Obdachlose im U-Bahnhof Yorckstraße mit Stichwaffen attackiert, im Mai 2017 ein Mann in einem U-Bahnhof von drei Personen brutal zusammengeschlagen. Die Täter ließen erst durch das Eingreifen einer Passantin von ihrem Opfer ab.

Weihnachten 2016 schließlich wurde schon einmal ein Obdachloser Opfer eines Brandanschlags. Jugendliche hatten versucht, Gegenstände, die der schlafende Mann bei sich hatte, anzuzünden. Schlimmeres wurde auch in diesem Fall durch Passanten verhindert. Die Täter stellten sich nach einer Öffentlichkeitsfahndung. Der Haupttäter wurde zu zwei Jahren und neun Monaten Haft, zwei Mittäter zu Bewährungsstrafen verurteilt.

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