Anschlagsserie in Bayern: Motiv „Hass auf Türken“

Nach der Anschlagsserie auf mehrere türkische Geschäfte in Waldkraiburg fasst die Polizei einen 25-jährigen angeblichen IS-Anhänger.

Ein ausgebrannter türkischer Lebensmittelmarkt in Waldkraiburg nach einem Brandanschlag am 27. April

Der ausgebrannte Lebensmittelmarkt in Waldkraiburg nach dem Brandanschlag am 27. April Foto: dpa

WALDKRAIBURG/MÜNCHEN taz | Es war eine ganze Anschlagsserie: Seit Mitte April waren im kleinen Waldkraiburg in Bayern vier Geschäfte von BetreiberInnen mit türkischem Migrationshintergrund attackiert worden, in einem Fall mit einem Brandanschlag. Nun scheint die Serie aufgeklärt: Ein 25-Jähriger wurde festgenommen, der sich als IS-Anhänger ausgab.

Die Polizei Oberbayern Süd und die Generalstaatsanwaltschaft München nannten auf einer Pressekonferenz am Sonntag die Festnahme einen großen Erfolg. Letztlich aber war es ein Glückstreffer: Am Freitagabend war der 25-Jährige ohne Fahrschein in einem Zug nach Mühldorf am Inn angetroffen worden. Bei einer Kontrolle von hinzugerufenen Bundespolizisten entdeckten diese zehn funktionsfähige Rohrbomben in seiner Tasche, dazu mehrere Kilo chemische Substanzen. Noch am Abend gestand der Mann darauf die Anschlagsserie – und führte die Beamten zu weiteren versteckten Rohrbomben.

In der Vernehmung habe der 25-Jährige, ein in Bayern geborener Sohn türkischer EinwandererInnen, einen „Hass auf die Türken“ angegeben, sagte Oberstaatsanwalt Georg Freutsmiedl. Auch habe er sich als IS-Anhänger ausgegeben und erklärt, er sei bereit, sich für die Terrormiliz zu opfern. Ein Motiv innerhalb der türkisch-kurdischen Auseinandersetzungen habe er explizit verneint.

Weitere Anschläge geplant

Der Mann, ein gelernter Einzelhandelskaufmann und seit mehreren Monaten arbeitslos, soll sich in den vergangenen Jahren islamistisch radikalisiert haben. Seine Familie hatte laut ErmittlerInnen erfolglos versucht, ihn davon abzubringen.

Strafrechtlich fiel er bisher aber nur mit kleinen Verstößen wegen des Besitzes von Marihuana auf. Wie der Mann unbemerkt die große Zahl an Sprengsätzen bauen konnte, werde nun ermittelt, erklärte Freutsmiedl. Er habe angegeben, weitere Anschläge auf türkische Einrichtungen geplant gehabt zu haben.

Neben den im Zug mitgeführten Rohrbomben führte der Mann die Ermittler zu einem Auto in einer Tiefgarage in seinem Wohnort in Garching an der Alz, in dem sich weitere 13 Rohrbomben und 10 Kilogramm Chemikalien befanden. In seiner Wohnung fanden sich weitere Chemikalien und eine scharfe Beretta-Pistole samt Munition.

Bisher gebe es keine Hinweise auf MittäterInnen, erklärte Hans-Peter Butz, Leiter der zu der Anschlagsserie gebildeten Sonderkommission „Prager“. Dazu werde nun aber weiter ermittelt. Gegen den 25-Jährigen wurde inzwischen Haftbefehl verhängt.

Der Vorwurf: 27-fach versuchter Mord

Die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer: Allein den Brandanschlag auf den Lebensmittelladen am 27. April wertet die Generalstaatsanwaltschaft als 27-fachen versuchten Mord. Das Feuer war mitten in der Nacht gelegt worden und das Geschäft ausgebrannt.

Nur durch einen aufmerksamen Bewohner hätten die MitbewohnerInnen in den darüber liegenden Wohnungen über die Tiefgarage gerettet werden können, so Freutsmiedl. Der Haupteingang des Hauses sei durch das Feuer bereits versperrt gewesen. Die Brandentwicklung sei „sehr schnell und dramatisch“ gewesen. Sechs Personen wurden damals verletzt. Es entstand Sachschaden von mehreren Millionen Euro.

Bei den weiteren drei Taten wurden Steine in einen Friseursalon, eine Gaststätte und einen Imbiss geworfen, dazu auch eine übelriechende Flüssigkeit. Die letzte Tat erfolgte am 6. Mai.

Die Polizei und Staatsanwaltschaft dankten am Sonntag auch der türkischen Community in der Region für ihre Ruhe und ihr Vertrauen in die Ermittlungsarbeit. Mit der Festnahme seien „weitere, schlimme Taten verhindert“ worden, zeigte sich Freutsmiedl erleichtert.

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