Anschlagsserie in Kairo: Die Wut nach der Explosion

Kurz vor dem dritten Jahrestag des Beginns der Revolte gegen Mubarak explodieren in Kairo vier Bomben. Die Muslimbrüder distanzieren sich.

Ein Feuerwehrmann inspiziert den Krater, den die Bombe vor dem Polizeihauptquartier hinterlassen hat. Bild: ap

KAIRO taz | Es war ein Knall in der Innenstadt, der bei Sonnenaufgang ganz Kairo geweckt hat. Bis zu 10 Kilometer entfernt ließ die Explosion die Scheiben wackeln, vier Menschen starben. Auch der tiefe Krater vor dem Polizeihauptquartier zeugt von der massiven Bombe, genauso wie die Tatsache, dass noch gut hundert Meter weiter die Rollläden der Läden eingedrückt sind.

Ein Attentäter hatte versucht, mit einem mit Sprengstoff beladenen Minilaster in den Eingang des Hauptquartiers der Kairoer Polizei durchzubrechen, hatte es aber nicht geschafft, weshalb die Bombe auf der Straße vor dem Eingang hochging. Doch selbst das hinterließ große Schäden in den ersten drei Stockwerken des Gebäudes, in dem auch der Sicherheitschef Kairos übernachtete. Der Attentäter, ein vorbeifahrender Taxifahrer und zwei Polizisten kamen dabei ums Leben.

Der Attentäter hatte sich den Zeitpunkt gut ausgesucht. Wenige Minuten zuvor hatte eine Straßensperre vor dem Hauptquartier ihr Schichtende. Beides, die Tatsache dass sich Kairos Sicherheitschef im Gebäude befand und die nicht bemannte Straßensperre könnten ein Hinweis sein, dass die Attentäter Insider-Informationen hatten. Bis zum Mittag hatte sich eine militante islamistische Gruppierung aus dem Nord-Sinai, namens Ansar Beit Al-Maqdis verantwortlich erklärt. Die Muslimbruderschaft hat die Tat verurteilt.

Dennoch skandierten den ganzen Tag Demonstranten vor dem Polizeihauptquartier gegen die Muslimbruderschaft. „Exekutiert die Muslimbrüder“ und „die Muslimbrüder sind die Feinde Gottes“, riefen sie, während sie Bilder des ägyptischen Militärchefs Abdel Fatah El-Sisi hochhielten.

ARD-Team krankenhausreif geprügelt

Die Situation war angespannt. Einige Journalisten wurden einer aufgebrachten Menge angepöbelt. Ein Team der ARD wurde gar krankenhausreif geprügelt und konnte sich nur mit Mühe in Sicherheit bringen, nachdem ein Polizist mit Schüssen in die Luft den Mob verscheuchte. Das ist ein Ergebnis der ägyptischen Medien, die seit Wochen gegen ausländische Medien hetzen, weil diese nicht kritiklos den Standpunkt der ägyptischen Militärführung und der Übergangsregierung übernehmen.

„Ich habe selbst Verwundete mit eigenen Händen zur Ambulanz getragen“, erzählt der Handwerker Hossam Hassan, der um die Ecke wohnt. „Es ist einfach unerhört. Wenn das ein Vorgeschmack auf das sein soll, was die Islamisten am Jahrestag der Revolution mit uns vorhaben, dann möchte ich, dass sie wissen, dass wir keine Angst haben vor ihnen, komme, was wolle“, fügt er hinzu.

Offensichtlich wollten die Attentäter am Vorabend des Jahrestages der Revolution ein Zeichen setzen und sie wollten beweisen, dass sie jederzeit und vor allem überall zuschlagen können, selbst im Herzen des Kairoer Sicherheitsapparates.

Am späteren Vormittag detonierten zwei weitere Sprengsätze. Einer wurde auf ein Polizeifahrzeug im Viertel Dokki auf der anderen Seite des Nils geworfen. Dabei kam ein Polizist ums Leben, 11 weitere wurden verletzt. Ein weiterer kleiner Sprengsatz explodierte in der Nähe einer Polizeistation in Giza. Dabei gab es keine Opfer. Bei einem vierten Anschlag am Nachmittag ist ein weiterer Mensch getötet worden. Die Bombe sei an der Hauptstraße zu den Pyramiden von Gizeh explodiert, sagte ein Vertreter des Innenministeriums.

Die Muslimbrüder sind immer schuld

„Es ist ein abscheulicher Versuch boshafter terroristischer Kräfte den Erfolg Ägyptens mit seinem Fahrplan zu Demokratie und seiner neuen Verfassung zu unterbrechen“, kommentierte Ägyptens Hazem El-Beblawi. „Diese verachtenswerte Tat wird die Polizei in ihrem Kampf gegen den Terrorismus nicht stoppen“, erklärte Innenminister Muhammed Ibrahim bei einem Besuch des Polizeihauptquartiers.

Die bis zur Absetzung des Präsidenten Muhammad Mursi durch das Militär größte politische Gruppierung des Landes, die Muslimbruderschaft, war nach einem Anschlag letzten Dezember auf das Polizeihauptquartier in der Nildelta-Stadt Masnoura von den Behörden zur terroristischen Organisation erklärt worden. Auch damals hatten die Muslimbrüder den Anschlag, bei dem 14 Menschen ums Leben kamen verurteilt. Auch damals hatte sich die militante Ansar Beit Al-Maqdis, eine Gruppe aus dem Nordsinai, zu dem Anschlag bekannt.

Das führte zu bissigen Bemerkungen im Kurznachrichtendienst Twitter. Ansar Beit Al-Maqdis dürften die frustriertesten Attentäter der Welt sein. Sie geben eine Warnung vor ihren Anschlägen und zeichnen sich unmittelbar danach dafür verantwortlich. Und doch werden immer statt ihrer wieder die Muslimbrüder beschuldigt“, heißt es dort etwa.

Unklar ist, welche Auswirkungen der explosive Tag in Kairo auf den Revolutionsjahrestag am Samstag haben wird. Sowohl Anhänger des Militärchefs Sisi, als auch die Muslimbrüder und säkulare Tahrir-Aktivisten und Putschgegner haben Demonstrationen angekündigt. (mit afp)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.