Anschläge in Timoschenkos Heimatstadt: Opposition fürchtet Ausnahmezustand

Ukrainische Regierungskritiker befürchten das Schlimmste: Repression qua Ausnahmezustand. Wer hinter den Anschlägen in Dnjepropetrowsk steckt, ist nicht bekannt.

Passanten helfen einem verletzten Opfer eines Bombenanschlags in Dnjepropetrowsk am Freitag. Bild: dpa

BERLIN taz | In der ostukrainischen Stadt Dnjepropetrowsk sind seit Freitag und bis zum 2. Mai Protestaktionen verboten. Der Grund: Am Mittag waren im Zentrum mehrere Sprengsätze detoniert. Dabei wurden nach Angaben des Ministeriums für Notfallsituationen 27 Menschen – darunter 9 Kinder – teilweise schwer verletzt.

Die erste Explosion in der Nähe einer Straßenbahnhaltestelle wurde durch einen Sprengsatz ausgelöst, der in einem Papierkorb deponiert war, die zweite ereignete sich rund 40 Minuten später unweit eines Kinos.

Ziel des dritten Anschlags war eine Hauptstraße. Zu der vierten Explosion lagen zunächst keine genaueren Angaben vor. Das Internetportal „Ukrainska Prawda“ veröffentlichte Fotos, auf denen Straßenbahnen mit geborstenen Scheiben und Blutlachen zu sehen waren.

Die Staatsanwaltschaft leitete umgehend Ermittlungen wegen eines terroristischen Anschlags ein. Staatspräsident Wiktor Janukowitsch bezeichnete die Anschläge als große Herausforderung für das ganze Land.

Dnjepropetrowsk ist die Heimatstadt der früheren Regierungschefin und jetzigen Oppositionschefin Julia Timoschenko. Die 51-Jährige war im vergangenen Oktober in einem fragwürdigen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Kritik wird schärfer

In der Haft erkrankte Timoschenko schwer, seit Monaten leidet sie unter starken Rückenschmerzen. Am Freitag vergangener Woche trat die Politikerin aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen Hungerstreik. Ihren Angaben zufolge sei sie unter Anwendung von Gewalt kurzzeitig in ein Krankenhaus verbracht worden sein. Dabei habe sie sich zahlreiche Blutergüsse zugezogen und sei auf den Bauch geschlagen worden.

Nicht zuletzt Timoschenkos Vorwurf, in der Haft schwer misshandelt worden zu sein, hatte in den vergangenen Tagen zu scharfer Kritik an der ukrainischen Regierung seitens der EU sowie westlicher Regierungen geführt. Am Donnerstag sagte Bundespräsident Joachim Gauck seine Teilnahme an einem Treffen zentraleuropäischer Staatschefs Mitte Mai in Jalta ab. Auch ein möglicher Boykott der Fußballeuropameisterschaft, die im Juni in Polen und in der Ukraine stattfindet, wurde zum Thema.

Am Freitag demonstrierten mehrere tausende Anhänger der Opposition im Zentrum der Hauptstadt Kiew für eine sofortige Freilassung Timoschenkos. Sie forderten eine transparente Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe und den Rücktritt von Staatschef Janukowitsch.

Ob es einen Zusammenhang mit der Causa Timoschenko gibt, darüber kann nur gemutmaßt werden. Andrei Schkil, Mitglied von Timoschenkos Partei BJUT, warnte am Freitag, dass die Regierung den Ausnahmezustand verhängen könne. Dann wäre es möglich, Demonstrationen zu verbieten und die Bürgerrechte einzuschränken.

„Das würde der Staatsmacht die Möglichkeit geben, die sie will – die totale Kontrolle über die Gesellschaft“, sagte Schkil. Ähnlich denkt ein Kommentator bei der „Ukrainska Prawda“: „Es besteht kein Zweifel daran, dass der Organisator dieses blutigen Verbrechens die Präsidialverwaltung von Wiktor Janukowitsch ist.“

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