Anti-Atom-Aktivistin vor Gericht: Füttern verboten

Die Beköstigung einer Atomkraft-Gegnerin wurde Irene T. zum Verhängnis. Am Dienstag stand sie in Harburg vor Gericht. Die Polizei war auch vor Ort

AktivistInnen am Gleis

Ketten sich auch in Hamburg immer mal wieder an die Gleise: Anti-Atom-Aktivisten. Foto: Pay Numrich

HAMBURG taz | Die Anti-Atom-Aktivistin Irene T. soll an der Blockade eines Uranzuges mitgewirkt haben – indem sie eine an den Zug gekettete Aktivistin fütterte. Deshalb stand sie gestern in Harburg vor Gericht. Vorgeworfen wird ihr Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft stellt das Reichen von Lebensmitteln an eine Aktivistin einen Tatbeitrag dar.

Zum Prozessauftakt kamen Anti-Atom-AktivistInnen zur Unterstützung. Das Amtsgericht schien das nicht gerne zu sehen und orderte zahlreiche Polizeibeamte zum Gerichtsgebäude. Sechs Polizeibusse standen nach der Verhandlung direkt vor dem Eingang.

Der Vorfall ereignete sich im Sommer 2014. AktivistInnen hatten stundenlang einen Güterzug belagert, der 50 Container mit Uranerzkonzentrat für die Brennelemente-Herstellung geladen hatte. Sie ketteten sich vor und hinter dem Zug an. Der Transport war im Hafen angekommen und stand dann einen Tag lang im Güterbahnhof Hamburg-Süd.

Hamburg ist wichtiger Umschlagplatz

Alle drei Tage gibt es im Durchschnitt einen Atomtransport durch Hamburg.

232 Mängel wurden bei Kontrollen von Urantransporten am Hamburger Hafen von Januar bis Dezember 2016 festgestellt. 79 davon waren sicherheitsrelevant.

Auf freiwilligen Verzicht von Atomfrachtbehandlung durch die Hafenwirtschaft setzt der rot-grüne Senat laut Koalitionsvertrag.

An den Bremer Häfen gibt es seit 2012 ein Verbot für den Umschlag von Kernbrennstoffen.

Seit Jahren kritisieren Atomkraft-Gegner, dass Urantransporte per Schiff, LKW und Zug täglich durch ganz Deutschland führen – trotz des Atomausstiegs, der 2011 im Bundestag beschlossen wurde. Der Hamburger Hafen ist ein wichtiger Umschlagplatz. Mit den radioaktiven Stoffen werden Atomfabriken wie die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen versorgt, die nicht vom Atomausstieg betroffen sind.

Etwa 15 AktivistInnen nutzten am Dienstag den Prozess, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen: Die überwiegend jungen Leute hielten vor dem Amtsgericht Harburg Banner hoch. „Atomkraft? Nix da!“ stand auf einem. „Hallo geht's noch? Stoppt die Kriminalisierung von legitimem Widerstand“ auf einem anderen.

„Ich finde das auf jeden Fall unterstützenswert“, sagte eine Aktivistin, die einen schneckenförmigen Holz-Ohrring trägt. „Es ist ein Unding, dass Urantransporte durch Hamburg fahren und das auch noch kaum bekannt ist.“

Alle Zuschauer durchsucht

Die Angeklagte, die sich bereits seit 2010 in der Anti-Atomkraft-Bewegung engagiert und die am Dienstag einen Pullover mit der provokanten Aufschrift „trainstopping“ trug, sagt die Unterstützung sei „ein gutes Zeichen“. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft hält sie für absurd. „Das Aufgebot der Polizei zeigt mal wieder, für wie gefährlich wir gehalten werden.“

Die Wachleute im Gericht waren durch einen Internetaufruf, der zu der Verhandlung mobilisierte, alarmiert worden. „Da die Personen vor dem Amtsgericht sich auffällig verhalten haben, wurde die Polizei informiert“, erklärt Gerichtssprecher Kai Wentzel. Vor der Verhandlung wurden alle Zuschauer durchsucht.

Zu dem Vorfall 2014 äußerte die Angeklagte sich – auch vor Gericht – nicht. Sie bestätigte, dass sie Aktionen wie die Blockade von Transporten unterstütze. Während der Verhandlung trug sie lange Texte zur Anti-Atomkraft-Bewegung und der Geschichte Deutschlands als Endlager vor. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 25. April geplant.

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