Anti-Terror-Gesetz in Frankreich: Daten sammeln mit dem Staubsauger

Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo will Paris die Überwachung verschärfen. Ermittlern dürfte das gefallen, anderen weniger.

Ein Mann hält ein Plakat auf einer Solidaritätsdemo für Charlie Hebdo

Das Attentat auf Charlie Hebdo gab den Anlass für die gesetzliche Neufassung der Überwachung. Foto: ap

PARIS taz | Am Dienstag und Mittwoch stimmen zuerst der Senat und danach die Nationalversammlung in Paris über eine Schlussfassung neuer Antiterrorgesetze ab. Nach den blutigen Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ und den Supermarkt „HyperCasher“ hatte das schockierte Frankreich den Eindruck, dass in Sachen Prävention und Bekämpfung des islamistischen Terrors mangels Koordination und Kompetenzen bei der Überwachung der potenziellen Dschihadisten etwas verpasst oder versäumt worden war.

Die Regierung konnte sich also auf eine reelle Nachfrage in der Bevölkerung abstützen. Die Polizeibehörden ihrerseits beklagten sich über mangelnde Mittel und einen durch zu viel Kontrollen beschränkten Handlungsspielraum.

Dem soll die Vorlage abhelfen. Vor allem sollen zur frühzeitigen Erfassung einer terroristischen Bedrohung im viel größerem Ausmass nicht nur Telefongespräche, SMS oder die Email-Kommunikation belauscht, sondern auch die Verbindungsdaten gespeichert und ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um die zahlreichen Spuren, die jeder beim Telefonieren oder Surfen auf dem Internet hinterlässt, selbst wenn Cookies desaktiviert und die Option „private“ oder „anonyme“ Kommunikation gewählt wurde.

Statt gezielt mutmaßliche Terroristen zu suchen, sollen die Ermittler im großen Stil (wie die NSA) Daten sammeln und dann – wenn möglich – bei der Auswertung nützliche Hinweise finden. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch völlig unbescholtene Bürger von dieser weitmaschigen Überwachung betroffen sind. Und wer garantiert ihnen, dass die einmal gespeicherten und erfassten Informationen anonym bleiben und später vernichtet werden?

Zwar wird auf dem Papier die Kontrolle durch die zuständige Behörde (CNCTR) verbessert, doch eine parlamentarische Nacht-und-Nebel-Aktion beweist, wie leichtfertig mit diesem Transparenzversprechen umgegangen wird. Vor der Schlussabstimmung trafen sich die Mitglieder der gemischten Kommission des Senat und der Nationalversammlung zu einer „Diffenzbereinigung“.

Generelle Überwachung von Reisenden

Und bei dieser Gelegenheit fügte ein sozialistischer Abgeordneter, Jean-Jacques Urvoas, einen von keiner der beiden Parlamentskammern je diskutierten Abschnitt ein, der eine Bespitzelung „durchreisender Ausländer“ (Politiker, Diplomaten, Geschäftsleute und Journalisten) ohne Zustimmung und Kontrolle der CNCTR erlaubt.

Das hat in der sonst ziemlich passiv oder resigniert reagierenden Öffentlichkeit doch noch für Empörung gesorgt. In einem Offenen Brief haben Intellektuelle gegen diese französische Version eines „Patriot act“ protestiert.

Zu Beginn der Debatte hatte Premierminister Manuel Valls hoch und heilig versprochen, die neuen Antiterrorgesetze im Gefolge der Attentate vom Januar seien keinesfalls vergleichbar mit dem „Patriot act“ in den USA nach dem September 2001. Allein schon die Tatsache, dass er diesen Vergleich im Voraus erwähnte, um Einwände zu entkräften, musste stutzig machen.

Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Skepsis mehr als berechtigt war, ebenso die Vorsicht von Staatspräsident François Hollande, der sogleich angekündigt hatte, er wolle, dass die neuen Gesetzesartikel mit den erweiterten Überwachungspraktiken von den Verfassungsrichtern nach der Debatte und Verabschiedung überprüft würden.

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