Antibiotikaresistente Bakterien: Unappetitliche Ausbreitung

Keime, gegen die kein Antibiotikum hilft, häufen sich. Bis zu fünf Prozent der deutschen Bevölkerung haben sie bereits im Darm. Ein Grund: mangelnde Hygiene.

Sie haben unaussprechliche Namen und sind oft schwer wieder loszuwerden: Bakterien. Bild: reuters

BERLIN taz | Sie heißen Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, kurz MRSA, Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder auch Extended-Spectrum Beta-Lactamase (ESBL): Bakterien, gegen die so gut wie kein Antibiotikum gewachsen ist. Und die auf dem Vormarsch zum Menschen sind.

In den vergangenen 20 Jahren, das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), hat sich allein die MRSA-Rate verzehnfacht - bezogen auf sämtliche in deutschen Krankenhäusern untersuchten Bakterienstämme in Wundinfektionen von Patienten. "Nicht die Zahl der resistenten Keime hat sich vergrößert, wohl aber die Häufigkeit, mit der die existierenden Keime nachgewiesen werden", sagt der DGHK-Sprecher Klaus-Dieter Zastrow.

Die Gründe, weswegen antibiotikaresistente Keime sich zunehmend ausbreiten, sind unappetitlich. Das Robert-Koch-Institut (RKI), Deutschlands oberste Seuchenbehörde, unterscheidet zwischen drei Hauptquellen, an denen sich Menschen mit antibiotikaresistenten Keimen infizieren können: in Krankenhäusern aufgrund mangelnder Hygiene (hospital acquired, HA), im normalen Wohnumfeld durch Tröpfcheninfektionen, beispielsweise im Supermarkt, im Bus oder in der Schule (community acquired, CA) und im Zusammenhang mit der Tiermast (livestock associated, LA).

Die Keime machen zwar gleichermaßen krank, sind aber genetisch unterscheidbar. Der Anteil von MRSA-Fällen in Krankenhäusern, der LA zuzuordnen ist, liegt bei etwa 3 Prozent. Ein Häufigkeitsranking zwischen HA, CA und LA ist schwierig zu erstellen.

Längst nicht alle Menschen, die antibiotikaresistente Keime in ihrer Nase, ihrem Darm oder auf ihrer Haut tragen, erkranken deswegen auch. Vielmehr bleibt die "Besiedelung", wie der Keimbefall im Medizinerdeutsch heißt, bei gesunden Menschen meistens vollkommen folgenlos - und damit unerkannt. Experten schätzen, dass 1 bis 5 Prozent der Bevölkerung MRSA-Keimträger sind. Das wären in Deutschland 800.000 bis 4 Millionen Menschen. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts gibt es jährlich etwa 132.000 MRSA-Fälle in deutschen Krankenhäusern. Zwischen 1.200 und 1.500 Patienten sterben aufgrund resistenter Krankheitserreger.

Antibiotika auf gut Glück

Als Hauptursachen für die Entstehung antibiotikaresistenter Keime nennen Mediziner: Erstens, innerhalb der Humanmedizin, den zu häufigen Einsatz "falscher" Antibiotika, also solcher Mittel, die zwar generell Bakterien bekämpfen, aber eben nicht diejenigen, an denen der Patient erkrankt ist. Ärzte, so die Kritik, könnten hier leicht gegensteuern, indem sie nicht auf gut Glück Antibiotika verschrieben, sondern zunächst mit Hilfe eines Abstrichs den tatsächlichen Bakterienstamm identifizierten - und sodann das geeignete Antibiotikum auswählten.

Der zweite, nicht minder relevante Grund ist der hohe Verbrauch von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Vorsichtigen Schätzungen zufolge macht er weltweit die Hälfte der gesamten Antibiotikaproduktion aus - mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Konsumenten.

Nicht unbedingt wegen der Antibiotikarückstände im Fleisch, sagt Ulrich Höffler, Antibiotikaexperte innerhalb der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Es sei fraglich ob diese Rückstände nach der Erhitzung überhaupt noch antibiotisch wirkten. Weitaus gefährlicher, sagt Höffler, seien vermutlich die resistenten Keime wie VRE, die sich erst aufgrund des Antibiotikaeinsatzes in der Darmflora der Tiere ansiedelten und dann über die Lebensmittelkette und insbesondere den Kontakt mit rohem Fleisch zum Menschen gelangten. Mittlerweile, so Höffler, hätten 5 Prozent der deutschen Bevölkerung VRE in ihrem Darm - die meisten unerkannt.

"Beim Menschen entstehen nun nicht gleich Infektionen", erklärt Höffler. Nicht jedenfalls, solange diese Menschen gesund sind. Erkrankten sie aber schwer, beispielsweise an Krebs, und würden in der Folge mit einer immunsupprimierenden Chemotherapie behandelt, dann hätten die Keime große Chancen, den ohnehin geschwächten Körper anzugreifen. Ähnlich gefährdet seien Patienten mit "offenen Beinen" infolge von Diabetes. "Bei ihnen", warnt Höffler, "können dann zum Beispiel beim Duschen ihre eigenen VRE in die Wunde und somit in die Blutbahn gelangen".

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