Anwältin für Verjährung von Missbrauch: "Da droht neue Enttäuschung"

Anwältin Margarete von Galen vertritt Opfer sexuellen Missbrauchs und ist trotzdem gegen eine Verlängerung der Verjährung. Denn Prozesse könnten mehr schaden als nutzen.

Bad Staffelstein: Hier tagten jüngst Bayerns Bischöfe und viele Menschen protestierten gegen eine neue Vertuschung. Bild: reuters

taz: Frau von Galen, der Missbrauch in katholischen und anderen Schulen der 60er- und 70er-Jahre ist längst verjährt. Viele Politiker, inklusive Kanzlerin Merkel, denken deshalb über eine Verlängerung der Verjährung von sexuellem Missbrauch nach. Ist das sinnvoll?

Margarete von Galen: Nein. Gerade als Anwältin, die Opfer sexuellen Missbrauchs vertritt, kann ich davor nur warnen. Wir tun den Opfern keinen Gefallen, es drohen neue Enttäuschungen.

Warum?

Auch wenn ein Missbrauch erst nach 20 oder 30 Jahren vor Gericht kommt, muss das Gericht genau feststellen können, was sich ereignet hat. Beim Opfer können Erinnerungslücken bestehen, das Tatgeschehen wurde vielleicht auch lange Zeit verdrängt. Wenn das Opfer auf einen bestreitenden Beschuldigten trifft, der eventuell sogar ein alternatives "harmloses" Geschehen zu seiner Verteidigung behauptet, kann es am Ende eines nervenaufreibenden Prozesses doch ohne den ersehnten Rechtsfrieden dastehen.

Weil ein Freispruch für den Angeklagten droht?

Ja. Das Gericht mag wohl den Eindruck gewinnen, dass dem Opfer etwas Traumatisierendes widerfahren ist, für eine Verurteilung würde das aber nicht reichen. Es kann nicht das Anliegen der Opfer sein, solche Prozesse durchstehen zu müssen.

Würden Sie einem Missbrauchsopfer überhaupt zur Strafanzeige raten?

Nicht unbedingt. Man muss bedenken, dass der Strafprozess vor allem der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs dient. Aus der Opferperspektive kann allein die Konfrontation mit einem Beschuldigten - für den die Unschuldsvermutung gilt und gelten muss - schon als Zumutung empfunden werden. Statt über die Ermöglichung von Strafprozessen noch Jahrzehnte nach der Straftat zu diskutieren, sollte sich die Gesellschaft eher dafür einsetzen, dass Opfer von sexuellen Übergriffen und Gewalttaten sofort Hilfe erhalten: Therapie, Schadensersatz und bei Bedarf auch Unterstützung bei einer Anzeige.

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