Anwalt über Online-Medien-Datenschutz: „Grundgesetz wurde unterschätzt“

Ein Gericht zwang einen Netzseiten-Betreiber, Daten eines Nutzers herauszugeben. Rechtsanwalt Roman Ronneburger geht das zu weit.

Mund auf, sonst Schelle. Bild: Reuters

Wegen übler Nachrede eines Nutzers auf klinikbewertungen.de drohte Rasmus Meyer, dem Betreiber des Bewertungsportals, Beugehaft. Meyer weigerte sich, die Daten des Nutzers herauszurücken und berief sich auf das Zeugnissverweigerungsrecht von Journalisten. Nun hat das Landgericht Duisburg entschieden, dass das Urteil rechtmäßig sei. Der richterliche Druck wirkte – Meyer wird die Daten preisgeben, hat aber bereits Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Was darf man im Internet eigentlich alles sagen, für wen gilt die Pressefreiheit und wie steht es mit dem Datenschutz? Die taz hat den Medienrechts-Anwalt Roman Ronneburger gefragt.

taz: Herr Ronneburger, in dem Verfahren ging es vor allem darum, ob der Betreiber eines Bewertungsportals die gleiche rechtliche Stellung hat wie Journalisten. Welche rechtlichen Kriterien gibt es denn dafür, dass etwas als Presse gilt und der betroffene Redakteur das Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nehmen kann?

Roman Ronneburger: Vor dem Hintergrund von Artikel 5 Grundgesetz sind sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht auf Pressefreiheit starke Grundsätze im Gesetz. Das Recht auf freie Meinungsäußerung hat zunächst einmal jeder, solange es keine Grenze überschreitet, ab der es diffamierend wird. Bei der Pressefreiheit würde ich bei den aktuellen Online-Medien sehr weit gehen. Auch kleine Blogger werden sich darauf berufen können – das ist die Art, auf die wir heute Informationen bekommen. Das Recht der Zeugnisverweigerung ist nicht auf ein Pressemedium im klassischen Sinne beschränkt.

Das Urteil fiel anders aus.

In dem konkreten Fall ist der Richter ganz schön weit gegangen, die Weitergabe von Daten in so einem Beugeverfahren zu erzwingen. Von ihm und auch vom Landgericht wurde der Wertgehalt von Art. 5 Grundgesetz unterschätzt. Es gilt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Und es ist stets auch die Pressefreiheit im Rahmen einer entsprechende Beugemaßnahme zu berücksichtigen.

Was genau garantiert das Zeugnisverweigerungsrecht?

Pressefreiheit fängt bei der Sammlung von Informationen an. Durch das Recht, seine Informanten zu schützen, kann es anonyme Hinweise geben. Ich weiß nicht, mit wie vielen anonymen Quellen Sie arbeiten, aber ohne Anonymität ginge eine ganze Menge an Informationen verloren. Als Redakteur hat man die Pflicht, das dann sauber zu recherchieren. Wenn alle Quellen offen liegen müssten, dann hätten wir nicht so eine qualifizierte Presse. Das haben wir in autoritären Staaten gehabt, in der DDR und im Nationalsozialismus. Ich würde den Quellenschutz daher sehr weit auslegen.

ist Anwalt für Medienrecht und Gewerbliche Schutzrechte in Berlin.

Unter anderem wurde in Meyers Verteidigung versucht, Bewertungen auf einem Online-Portal mit Leserbriefen gleichzusetzen.

Das halte ich auch für richtig. Es sollte in den Medien die Möglichkeit geben, anonyme Informationen zu verbreiten. Vielleicht denkt sich jemand, ich schreib da anonym was, das ist ein dickes Ding, und Sie recherchieren das und decken dadurch irgend etwas Heikles auf. Genauso ist es erlaubt, Zuschriften Dritter anonym zu veröffentlichen.

Wann müssen Seitenbetreiber für die Kommentare ihrer Nutzer haften?

Die Rechtssprechung ist da uneinheitlich. Wir haben da zwei Fälle gehabt, die unterschiedlich entschieden wurden. Es ging zum einen um das Portal „Spickmich“, auf dem Schüler ihre Lehrer bewerten können, und um ein ähnliches Portal „Meinprof.de“. Bei „Meinprof.de“ wurde – zumindest in erster Instanz – entschieden, dass der Betreiber für die Inhalte haftet. Ihm wurde vor dem Hintergrund, dass er darüber mit Werbung viel Geld eingenommen hat, eine Prüfungs- und Überwachungspflicht hinsichtlich des Inhalts auferlegt. Bei „Spickmich“ wurde der Kommentar als Meinung beurteilt, die nicht über die Grenze zur Schmähkritik hinausgeht, und daher zulässig war.

Was ist mit den Leserkommentaren unter Artikeln auf Online-Pressemedien wie taz.de?

Da gab es kürzlich einen Parallelfall: Es fand eine Durchsuchung bei der Augsburger Allgemeinen statt. Da ging es auch um Äußerungen im Forum einer Zeitung. Meiner Meinung nach gehört das zur Presse. Oder wozu etwa sonst – zum Anzeigenteil? Aus dem Bauch heraus würde ich das jetzt so sagen.

Muss der Betreiber einer Webseite die genauen Daten seiner Nutzer kennen? Und wenn er sie kennt, muss er sie preisgeben?

Da sind wir beim Datenschutz. Inwieweit der Betreiber überhaupt das Recht hat, Daten zu speichern, ergibt sich aus §14 des Telemediengesetzes. Auf jeden Fall gibt es keine Verpflichtung. Es steht ihm frei, Nutzer dazu aufzufordern – in Deutschland geht mit Einwilligung eine Menge. Er darf auch den Behörden Auskunft erteilen – nach Maßgabe von § 14 II TMG, aber nur unter den dortigen engen Voraussetzungen. Also man kann nicht bei jeder Sache hingehen und Daten anfragen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.