Apple wird öko: Die halbherzige Wende

Apple schreibt sich Ökologisierung auf die Fahnen. Neue Datencenter sind inzwischen „100 percent green energy“.

Senior Vice President Craig Federighi auf Apples „Worldwide Developers Conference“. Bild: reuters

ASIEN/USA zeo2 | Greenpeace hat den alten Ökoferkeln von Apple immer wieder Beine gemacht. Die ganze Welt hat es mitbekommen. Die Umweltperformance des Herstellers von iPhones, iPads, leichten Laptops und schweren Grafikrechnern gehörte vor wenigen Jahren noch zu den dunklen Seiten der Marken-Macht: Ende 2012 verorteten die US-amerikanischen Greenpeace-Experten den Konzern noch im roten Bereich ihres „Guide to greener electronics“.

Das lag nicht nur an den Schwermetallen in den Geräten wie sie bei Herstellern wie Apple, Samsung, Toshiba und Co. üblich sind. Sondern vor allem an den Sichtblenden, mit denen die Jungs aus Cupertino/Kalifornien die Öffentlichkeit von ihren ökologischen Firmeninterna fern hielten. Apple war das Fort Knox der Transparenz – auch in Sachen Umwelt. Inzwischen soll es ganz anders sein.

„Vor allem Apple und Facebook haben erhebliche Fortschritte in ihrer Energie- Transparenz gemacht“, heißt es in der Greenpeace-Studie „Clicking Green“. Die Firmen hätten das „Dogma“ abgelegt, dass selbst Energie-Verbräuche der Konkurrenz unerwünschte Einblicke in die Firmenstrategie geben könnten. Die jetzt gewährten Einsichten sind durchaus erfreulich: Neue Datencenter von Apple, Facebook und Google sind inzwischen „100 percent green energy“.

Auch Yahoo bekommt gute Noten. Von den bekannten Datenkraken schneidet Amazon inzwischen am schlechtesten ab. Und nur Twitter führt sich noch auf, als sei sein Stromverbrauch bei der Schlacht um Reichweiten kriegsentscheidend: „Twitter gibt überhaupt keine Informationen zum ökologischen Fußabdruck seines Stromverbrauchs raus“, meckert Greenpeace.

Rechenzentren brauchen mehr Strom als Deutschland

Die riesigen Rechenzentren sind für die IT-Welt immer mehr das, was das Betonskelett eines Hauses für den Architekten ist: Das meist unsichtbare Innenleben, das das ganze Haus trägt. Weitgehend unbemerkt wachsen die gut abgeschirmten Komplexe von Apple, Amazon, Yahoo und anderen. Greenpeace stellt fest, dass alle Rechenzentren weltweit mehr Strom verbrauchen als eine ganze Industrienation – in einem Ranking rangieren die Rechenzentren knapp vor Deutschland, lediglich die Länder China, USA, Japan, Indien und Russland verbrauchen mehr Strom.

Das Internet verursacht inzwischen zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen und liegt damit gleichauf mit dem Luftverkehr. Immerhin: Für Großanlagen sieht Greenpeace einen Megatrend zum Ökostrom – zumindest in den USA. „Grünere Materialien, weniger Verpackung, kostenloses Recycling der alten Geräte“ – das verspricht Apple jetzt in dem massiv verbreiteten Werbeclip mit dem programmatischen Titel „Besser“. Tatsächlich sind die Geräte der High-Tech Industrie „besser“ geworden. So macht Apple damit Werbung, dass der Stand-By-Verbrauch eines seiner bonbonfarbenen Röhrenbildschirme von 1998 noch bei 35 Watt lag, ein moderner Flachbildschirm inzwischen weniger als ein Watt braucht.

In der gesamten Industrie werden die Geräte kleiner und leichter: Und verbrauchen damit auch weniger Metall und Aluminium in den Gehäusen. Aber in der Summe? Frisst die Flut von Computern viele Fortschritte auf. „Früher hatte man einen PC. Heute sind es Laptop, PC und mehrere Smartphones pro Haushalt, die alle Ressourcen benötigen“, sagt Ralf Hintemann, Mitarbeiter am gemeinnützingen „Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit“ in Berlin.

„Darum wird die Umweltbelastung insgesamt nicht weniger.“ Die Anbieter hätten gerade erst begonnen, ihr Angebot zu ökologisieren. Beispiel Rohstoffe: Viele Seltene Erden und Schwermetalle kämen immer noch aus Afrika und würden unter erheblichen Umweltbelastungen gewonnen.

Das Motiv „Natur“ häuft sich in Federighis Präsentation. Bild: dpa

„Das zeigt ja auch das Fairphone. Trotz aller Mühen ist es auch da nur in wenigen Fällen gelungen, Rohstoffe mit geringem ökologischen Fußabdruck zu finden“, sagt Hintemann unter Hinweis auf die niederländische Inititative, die seit Anfang des Jahres als Erste ein möglichst fair produziertes Mobiltelefon auf den Markt gebracht hat. Wie hoch die Umweltbelastung eines Gerätes wirklich sei, könnten auch die Hersteller nicht sagen. Das gilt für Handys, aber eben auch für Server, die in den Rechenzentren laufen. Aber an das Fairphone reichten die großen Marken lange nicht heran.

Denn von den Menschen hinter den Geräten spricht Apple nicht. Wie den Wanderarbeitern aus China. Sie verlassen ihre Dörfer und Familien, schlafen unter Brücken oder am Straßenrand, um für Apple, IBM und andere IT-Hersteller zu arbeiten. Rund 200 Millionen Frauen und Männer sind in dem Riesenland unterwegs auf der Suche nach regelmäßigem Einkommen.

Wanderarbeitern drücken die Produktionskosten

Oft werden sie wegen ihrer Herkunft diskriminiert und von Gesundheits- und Bildungsversorgung ausgeschlossen. Auch der Lohn wird ihnen immer wieder vorenthalten. Das Riesenheer an Wanderarbeitern drückt die Produktionskosten der größten asiatischen Volkswirtschaft gewaltig. „Wanderarbeiter sind in allen Branchen zu finden, auch in Betrieben, die für ausländische Unternehmen fertigen“, sagt Bettina Gransow, Professorin für Soziologie und Sinologie an der FU Berlin.

„Bei den jungen Arbeitern, die sich 2010 beim Apple-Zulieferer Foxconn vom Dach gestürzt haben, waren auch Arbeiter aus fremden Provinzen. Die Wanderarbeiter leben in einer informellen Welt, aus der es oft kaum ein Entkommen gibt.“

Besonders die Lehrlinge würden ausgenutzt, sagt Gransow. Für sie gelten keine Begrenzungen der Arbeitszeit. Sie stünden bis zum Umfallen am Fließband. Während User von Apple-Produkten auf Hochwertigkeit und schönes Design Wert legen, sieht die Realität der Arbeiter – egal ob zugewandert oder nicht – düster aus. Zwar hat Apple seinen Zulieferer nach den Vorfällen gewechselt – das letzte iPhone 5 wurde beim „Wettbewerber“ Pegatron hergestellt.

„Doch an den Bedingungen in den Fertigungen hat sich grundsätzlich wenig geändert“, so die Professorin. Eine Untersuchung der US-chinesischen Nichtregierungsorganisation China Labour Watch (CLW) zeigt, dass Wanderarbeiter in Pegatron-Fabriken ohne jede Sozialund Unfallversicherung arbeiten müssen. Bei einem Arbeitsunfall werden sie auf eigene Kosten in ihre Heimat zurückgeschickt.

Die wöchentliche Arbeitszeit ist bei allen Beschäftigten weitaus höher als die 76 Stunden, die der chinesische Staat maximal erlaubt. Über Jahre hat Apple genauso wie der Rest der Elektronikindustrie weggeschaut. Das hat sich mit den Selbstmorden bei der taiwanesischen Foxconn 2010 trotz massiver internationaler Kritik nur leicht geändert. Apple ist zwar der über Jahre von ihr boykottierten Fair Labour Organisation (FLA) beigetreten. Außerdem ließ die Firma die Zustände vor Ort untersuchen und dokumentieren. Doch der letzte so genannte „Zulieferer Nachhaltigkeitsbericht“ von 2012 liest sich wie eine Horrorstatistik.

Apple-CEO Tim Cook dagegen... Bild: reuters

So hielten 62 Prozent von 200 überprüften Betrieben die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten nicht ein und 31 Prozent zahlten entweder nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn, von umgerechnet 120 bis 220 Euro oder forderten unbezahlte Überstunden. Außerdem fielen 19 Fälle von Kinderarbeit (unter 16 Jahren) auf.

Konsequenzen hatten die Ergebnisse dieses „Nachhaltigkeitsberichts“ kaum. „Trotz leichter Verbesserungen in Folge dieser Maßnahmen werden die ArbeitnehmerInnenrechte insgesamt immer noch massiv missachtet“, moniert Claudia Heydenreich von Germanwatch. Unmenschliche Unterbringung und psychischer Druck zählen unverändert zum Alltag bei Apple und Co.

110 unbezahlte Überstunden im Monat

China Labour Watch machte Recherchen zu den Arbeitsbedingungen beim US-Zulieferer Jabil in Wuxi, der die Plastikhüllen des iPhone 5c herstellen lässt. Ergebnis: Die Beschäftigten hatten teilweise 110 unbezahlte und verpflichtende Überstunden im Monat zu leisten, Beschwerdemechanismen gab es nicht. Offenbar reicht es nicht, dass die Auftraggeber nun ein bisschen öfter als noch vor den Todesfällen nach dem Rechten sehen und Berichte erstellen lassen.

„Es gibt keine kontinuierliche Kontrolle der Arbeitsbedingungen“, weiß Professorin Gransow von Besuchen und Kontakten vor Ort. Spätestens wenn die ausländischen Kontrolleure wieder abgereist sind, herrscht erneut ein Klima der Unterdrückung und Ausbeutung. „Es müssen permanente Überprüfungen stattfinden “, fordert deshalb Aktivistin Heydenreich. Nur so könnten künftig auch Todesfälle vermieden werden.

Dass die Chefs der Zulieferfirmen ihre Arbeiter knechten, wenn kein Ausländer hinsieht, ist keine Folge der Mentalität, sondern der ökonomischen Zwänge, unter denen sie arbeiten müssen. Das bestätigen ehemalige, ranghohe US-amerikanische Apple-Mitarbeiter. „Alle Regeln, die man aufstellt, sind bedeutungslos, wenn man den Zuliefererbetrieben nicht genug Mehrerlös gibt, um ihre Arbeiter angemessen zu behandeln“, zitierte die New York Times 2012 einen früheren Apple-Manager.

Ein anderer, der ebenso anonym bleiben wollte, wurde noch deutlicher: „Wir wissen von Arbeitsrechtsverletzungen seit Jahren, und es gibt sie immer noch. Warum? Weil das System für uns arbeitet. Die Zulieferer würden morgen alles ändern, wenn Apple ihnen sagen würde, es müsste sein.“ Und Apple betreibt das Dumping weiter: Denn beim Wechsel der Zulieferer von Foxconn zu Pegatron ging es offenbar alleine um Kostensenkung.

Pegatron versprach noch billiger zu produzieren als der taiwanesische Wettbewerber und erhielt den Zuschlag zur Produktion der günstigen Variante C des iPhone 5. Die schlechten Arbeitsbedingungen bei Pegatron waren kein Geheimnis. Die Folgen können nicht überraschen. Der Tod durch zu viel Telefonproduktion ließ nicht lange auf sich warten.

... setzt auf Fakten und präsentiert Apples Erfolg. Bild: dpa

Ende 2013 berichtete China Labour Watch über einen 15 Jahre alten Jungen, der bei Pegatron an einer Lungenentzündung starb, nachdem er täglich im Schnitt zwölf Stunden gearbeitet haben soll. In der Fabrik, so die NGO, könnten die Arbeiter außerdem nur alle drei Monate zwischen Tag- und Nachtschicht wechseln.

Dass die Arbeit der Menschen in den Fabriken Apple kaum etwas Wert ist, belegen Analysen des Marktforschungsunternehmens iSuppli, das die Kosten der hippen Telefone aufschlüsselt. Die Lohnkosten betragen demnach beim iPhone 5C pro Stück kaum mehr als fünf Euro. Das sind gemessen am US-Verkaufspreis für ein Handy mit 32 GB-Speicherchip gerade einmal 1,1 Prozent.

Das exakt gleiche Niveau hatten die Marktforscher auch 2011 für das Vorläufermodell 4 ermittelt. Kann man da von Fortschritt reden? „Die Firma hätte aufgrund ihrer üppigen Gewinnmargen die Möglichkeit, an der Situation chinesischer Arbeiter substanziell etwas zu ändern“, sagt Germanwatch- Aktivistin Heydenreich.

Boykott von Apple

In diesem Frühjahr startete die US-Non-Profit-Organisation Green America eine Kampagne zum Boykott von Apple-Produkten, weil die Arbeiter in den chinesischen Fabriken hohen gesundheitsschädlichen Konzentrationen von Chemikalien wie Benzol und n-Hexan ausgesetzt seien. „Trotz des eignen Verhaltens-Codexes von Apple, der den Einsatz von gefährlichen Chemikalien ohne Schutzausrüstung und Training verbietet, bestehen nach wie vor große Probleme“, schreibt die Organisation auf ihrer Webseite.

„Aktuelle Fälle in Apple-Zulieferbetrieben sind dokumentiert, in denen Arbeiter wegen der Konfrontation mit Benzol an Leukämie erkrankt sind, an Nervenschäden wegen n-Hexan und Hautproblemen wegen des ungeschützten Umgangs mit säurehaltigen Chemikalien.“ Natürlich dementierte Apple die Berichte.

Apples Wettbewerber verhalten sich nicht besser. So berichtet die unabhängige Gewerkschaftsorganisation China Labour Bulletin (CLB) aus Hongkong von wochenlangen Protesten von rund 5.000 Arbeitern in einer Fabrik des niederländischen Halbleiterproduzenten ASM in Shenzhen. Die Firma hatte beschlossen, den Firmensitz zu verlegen, ohne den Arbeitern Unterstützung für ihren Umzug anzubieten.

Nach 22-tägigem Streik bot ASM schließlich eine Anhebung der Gehälter und Zulagen um 20 Prozent an. In der gleichen Stadt kennzeichnen die Mitarbeiter im chinesischen IBM-Werk ihren Arbeitgeber als „Ausbeuterbetrieb “. Grund ist der Verkauf des Werks an den chinesischen Konkurrenten Lenovo. „Wir wurden im Rahmen des gesamten Deals für 2,3 Milliarden Dollar verkauft.

Wie öko ist also der Apfel? Bild: reuters

Jemand macht daran definitiv einen Riesenbatzen Geld. Wir wollen auch unseren Anteil“, zitiert der Informationsdienst China Labour Bulletin einen Arbeiter. Die Liste lässt sich problemlos fortsetzen. Proteste gibt es ebenso gegen Nokia oder den koreanischen Apple-Wettbewerber Nummer Eins, Samsung, wegen angeblicher Kinderarbeit.

Die Fairphone-Initiative versucht immerhin, einen Mindestlohn von 130 Euro pro Monat durchzusetzen, sowie Überstunden- Entlohnung. Doch ob diese Bedingungen tatsächlich rund um die Uhr eingehalten werden, ist nach den Erfahrungen mit anderen chinesischen Herstellern zumindest fraglich. „Wir wissen, dass diese Minimalstandards noch nicht ausreichend sind“, rechtfertigt sich Fairphone- Vertreterin Tessa Wernink.

Sie versichert aber, dass die Initiative die Einhaltung regelmäßig kontrollieren lässt. „Unser Ziel ist, dass diese Standards nicht nur auf den Linien realisiert werden, die das Fairphone produzieren sondern überall in der Fabrik.“ Davon würden auch internationale Elektronikriesen profitieren. In der gleichen Fabrik fertigt A’Hong auch Komponenten für Microsoft und Intel.

Immerhin versuchen die Fairphone-Macher als erste, für mehr Fairness im Einkauf, in der Herstellung und der Entsorgung zu sorgen. „Das Fairphone kann nicht mehr als ein Demonstrationsobjekt dafür sein, dass es fairer geht“, beurteilt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut aus Siegburg das Vorhaben. „Und mehr bezwecken die Niederländer auch nicht.“ Wenn sich das Apple, Samsung und Co. zum Vorbild nähmen, hätte die Initiative viel erreicht. Ökostrom für Server alleine macht die Branche längst nicht sauber.

Marcus Franken und Oliver Ristau. Der Artikel erscheint in der neuen Ausgabe, nun am guten Kiosk und im eKiosk der taz erhältlich. Den Inhalt des Textes können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.