Apples neues iPhone X: Das Sterben der Knöpfe

Beim neuen iPhone gibt's keinen „Home Button“ mehr. Entsperrt wird per Gesichtserkennung. Eine Knopfolgie zum Abschied.

Eine alte Schaltfläche mit verschiedenen bunten Knöpfen

Mit der Industrie sterben auch die Knöpfe Foto: photocase / matlen

Tschüs, Home Button

Apples iPhone X wird keinen Home Button mehr haben. Tja. Erst die Kopfhörerbuchse weg, nun der kleine runde Menüknopf – zum Trost wird das Telefon immerhin von Jahr zu Jahr teurer. Die günstige Variante wird 1.149 Euro kosten. Muss sich ja auch lohnen, der Verzicht.

Die Frage ist: Warum schützen wir die Knöpfe nicht besser? So wie Koalas, die sind auch unnütz, aber süß.

Zum Beispiel im Fernsehen: Jahrelang brüllten einem irgendwelche ModeratorInnen bei 9live entgegen: „Zugeschlagen, wen hab isch in der Leitung?“ Zugeschlagen hatte er oder sie davor auf den Hot Button. Der arme Tropf, der dann in der Leitung war, durfte versuchen, ein unlösbares Rätsel zu lösen. Tja, sorry, war nichts. Aber danke für die 400 Anrufe zu je 49 Cent. 9Live gibt es mittlerweile nicht mehr. Bye bye, Hot Button!

Oder in Kitas: Diese Button-Maschinen, die in den 80ern jede Kinder- und Sozialeinrichtung in irgendeinem Schrank stehen hatte, sind auf dem Weg in die Zukunft (Umbau) irgendwie nicht mitgekommen. Dabei wurden die so gerne zum Tag der offenen Tür rausgeholt.

Dann konnten politisierte Kinder „Swerter zu Flugscharn“ oder weniger politisierte Kinder, wie ich, das Wappen des FC Bayern (das HSV-Wappen wäre einfacher gewesen) auf runde Papierscheiben malen, die dann eine dazu autorisierte Erzieherin in die Stanze schob, um sie – „Vorsicht! Finger weg!“ – zu einem Anstecker zu formen.

An dem konnte man sich dann prima piksen, während man auf so langen Holzstelzen lief, dann zerrissen die Buttons einem noch das T-Shirt und schlussendlich verlor man sie. Tschüsi, Button-Stanzding!

Generell haben es Buttons – oder Knöpfe – nicht leicht: Wer häufig Kinder an- und ausziehen muss, hasst sie. Fragen Sie mal bei der Kindergärtnerin oder dem Kindergärtner Ihres Vertrauens nach! Außerdem werden die Knöpfe unter Druck gesetzt von ihren natürlichen Feinden, dem Reißverschluss und Klett. Beim Bettenbeziehen sind Knöpfe sowieso das größte Übel.

Und nun auch noch Apple, das ja nur einem Trend folgt. Schließlich hatte Microsoft seine wenig ruhmreichen Smartphones schon lange nicht mehr mit einem festen Home Button ausgestattet. Auch da konnte und kann das Handy – wie jetzt auch beim neusten Apple iPhone X – per Gesichtserkennung entsperrt werden.

Und was hat’s gebracht? Microsoft stellt mittlerweile keine Handys mehr her. Das muss doch Warnung genug sein. Schutz den Knöpfen! Swerter zu Flugscharn! Jürn Kruse

Eine deutsche Erfindung

Vergesst den Home Button – lasst uns über Knöpfe reden. Diese meist runden Dinger aus irgendeinem festen Material, die sicherstellen, dass uns die Hose nicht runterrutscht. Denn der Knopf ist der tiefe Ursprung des Buttons. Er ist schon sehr alt.

Wikipedia behauptet, er sei im dreizehnten Jahrhundert in Deutschland erfunden worden. Deutsches Traditionsprodukt und so. Entsprechend gibt es hierzulande auch gleich mehrere Knopfmuseen. Ganz so sicher sollten KnopfpatriotInnen sich ihrer Sache aber nicht sein; schon vor 10.000 Jahren soll es Knöpfe aus Knochenteilen und Holzstückchen gegeben haben. Aber egal, wer dafür verantwortlich ist: Der Knopf ist eine grandiose Erfindung.

Bis Ende des 14. Jahrhunderts das Knopfloch in Mode kam, dienten Knöpfe vor allem dekorativen Zwecken. Dann waren sie plötzlich nicht mehr Accessoire, sondern elementarer Bestandteil der Kleidung. Es brach eine wahre „Knopfmanie“ aus, wie auf der Webseite einer österreichischen Knopfmacherstube nachzulesen ist. Knöpfe aus Edelsteinen, Edelmetallen oder Perlen wurden zum Statussymbol für Reichtum und Ansehen, während der einfache Bauer seine Knöpfe aus Horn oder Holz fertigte.

Heute, im Zeitalter der Gummibünde und Reißverschlüsse, verschwinden nicht nur die Home Buttons – auch der analoge Knopf verliert mehr und mehr an Bedeutung. Kaum jemand hebt noch Knöpfe in kleinen Schachteln auf, um sie wiederzuverwenden – Material und Produktion sind so billig geworden, dass man einfach einen neuen kauft.

Dem Knopf gebührt jedoch mehr Anerkennung. Eine Frau namens Stephanie Hackstein hat sogar eine Diplomarbeit über Knöpfe geschrieben – die zugleich eine „Liebeserklärung an den Knopf“ ist, wie sie in der Einleitung schreibt.

Sie plädiert dafür, dem Knopf „endlich die Bedeutung und Beachtung zu schenken, die er meines Erachtens verdient“. Und sie hat ja recht: Es gibt kleine Knöpfe und große, runde Knöpfe und eckige, grüne, blaue und gelbe, blumenförmige, glänzende und matte, Knopfloch-, Druck- und Schlaufenknöpfe.

Es gibt Knöpfe aus Horn, Perlmutt, Holz, Metall, Leder oder Kunststoff, mit zwei oder mit vier Löchern oder mit einer Öse an der Unterseite … die Liste ließe sich endlos fortführen.

Von der ganzen Pracht des Knopfuniversums kann man sich in Läden mit wohlklingenden Namen wie „Paules Knopfparadies“ überzeugen – ein Erlebnis nicht nur für Menschen, die des Nähens mächtig sind. Dinah Riese

Im Notfall: Boink!

Wie heißt eine Inselkette am südlichen Rand des …?“ Boink! Was wären Fernsehquizze ohne Buzzer? Dabei ist die Verwendung des Buzzers in TV-Studios bei weitem nicht seine wichtigste Funktion. In der Industrie rettet der große rote Knopf Leben, bewahrt Menschen davor, Körperteile zu verlieren, und verhindert gefährliche Havarien. Vorausgesetzt, jemand drückt ihn. Aber was gibt es schon Schöneres, als genau das zu tun? Boink!

Ein Buzzer ist eigentlich überhaupt kein Buzzer. Das ikonische rote Schaltgerät aus dem Fernsehen heißt technisch korrekt „Grobhandtaster“. Das Wort „Buzzer“ („Summer“) bezeichnet vielmehr ein elektrisches Gerät, das einen Ton erzeugt – zum Beispiel den eines klingelnden Telefons. In Quizshows wurden diese Summer dann mit dem Taster verbunden, damit der oder die Kandidatin signalisieren kann, dass er oder sie die Antwort hat. Boink!

Fürderhin wollen wir auf sprachliche Akkuratesse verzichten. Ein Buzzer ist ein Buzzer ist ein Buzzer – ist ein Knopf. Buzzer werden als Notausschalter in Fabriken, Kliniken und im Chemielabor von Schulen eingesetzt. In der Popkultur und anderen fiktiven Welten öffnen sie häufig Bodenklappen unter den Füßen des Helden. Oder aktivieren das sogenannte Doomsday Device, also die jeweilige Maschine, mit der der jeweilige Bösewicht die Erde zerstören will.

Manchmal ist der Buzzer auch ein Selbstzerstörungsknopf, dann hilft er den HeldInnen in der letzten Sekunde dabei, die Welt zu retten. Immer wieder wird auch Komik dadurch erzeugt, dass alberne Nebencharaktere oder Tiere den Schalter drücken. Fiktiv oder nicht: Buzzer sind einfach diese großen, glänzenden Knöpfe, die man normalerweise auf keinen Fall drücken soll – was man umso mehr möchte.

Während Knöpfe langsam aus unseren Telefonen, Haushaltsgeräten und Fahrzeugen verschwinden und durch Sensoren, Touchscreens oder Sprachbefehle ersetzt werden, könnte auch der Buzzer mit der Zeit sein Ende finden. Vielleicht gibt es dann bald große rote Touchscreens, Lichtsensoren, oder man ruft einfach „Computer, Notfallsequenz!“.

Wahrscheinlicher ist aber, dass der Grobhandtaster es als einer der letzten echten Knöpfe ins nächste Jahrhundert schafft. Es ist einfach nicht praktisch, einen kleinen filigranen Sensor als Notausknopf zu verwenden, den man im Ernstfall nicht richtig trifft. Oder gar Spracherkennung, die im Ernstfall nicht richtig funktioniert und – während von allen Seiten giftige Gase einströmen – mit freundlicher Stimme sagt: „Ich habe Sie leider nicht verstanden.“ Peter Weissenburger

Kein magischer Knopf

Der Home Button des ­iPhones verschwindet, er ist aber nicht der einzige Knopf, der dazu verdammt ist, in Vergessenheit zu geraten. Ein ähnliches Schicksal steht auch dem G-Punkt bevor.

Über den weiblichen Orgasmus zu sprechen ist immer noch ein Tabu, und es waren Männer, die über Jahrhunderte über die Lust der Frau geredet und geschrieben haben. So behauptete zum Beispiel der deutsche Arzt Ernst Gräfenberg im Jahr 1950, eine ein bis zwei Zentimeter große, empfindliche Fläche in der Vagina sei für den weiblichen Orgasmus verantwortlich. Sie wurde nach ihm benannt und heißt seither G-Punkt.

Freud entwickelte die Theorie, dass in der Entwicklung eines Mädchens zur Frau das Zentrum der sexuellen Erregbarkeit von der Klitoris auf die Vagina übergehe. Freud wertete das als Hinweis auf Unreife, „wenn die Klitoriszone ihre Erregbarkeit abzugeben sich weigert“.

Aufgrund des Mangels an wissenschaftlichen Daten zum Thema warteten viele Frauen eifrig auf den Tag, an dem sie „die Reife des vaginalen Orgasmus“ erreichen würden. Bis die Gynäkolog*innen Odile Buisson und Pierre Foldés 2009 die ersten 3-D-Ultraschallbilder der Klitoris machten. Diese Bilder zeigen, dass die Klitoris nicht nur der kleine Knopf ist, der sich im oberen Bereich der Vulva befindet – das ist lediglich die Spitze des Eisbergs.

Stattdessen ist sie so groß wie ein durchschnittlicher Penis und befindet sich zwischen der Vagina und der Bauchwand. Mit zwei ihrer vier Arme umschlingt sie die Vagina, während sich die anderen zwei gegen die Rückenwand strecken. Sie dient ausschließlich der weiblichen Lust und wird durch die Penetration stimuliert. Viele Frauen brauchen gleichzeitig eine äußere klitorale Penetration, um zum Höhepunkt zu kommen. Also ein rein vaginaler Orgasmus, so wie ihn Freud beschrieb, existiert nicht. Jeder weibliche Orgasmus ist klitoral.

2012 veröffentlichte eine Forschergruppe um Amichai Kilchevsky vom New-Haven- Krankenhaus, Connecticut, die Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen des Gewebes und der Nervenstruktur der Vagina – und fand keine anatomische Spur eines G-Punkts.

MRT-Bilder von Frauen während des Höhepunkts zeigen, dass der Orgasmus von einer weitaus größeren Fläche an der Bauchwand verursacht wird, nicht von einem kleinen Punkt. Also Ladys, ein hoch auf die Abwesenheit des „magischen Knopfes“! Am besten lassen wir uns nicht mehr von Männern erzählen, wie der vaginale Orgasmus funktioniert. Sibel Schick

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