Arbeitnehmerrechte: Weser-Kurier verliert

Landesarbeitsgericht hält Auslagerung des Weser-Kurier-Anzeigengeschäfts für unzulässiges Manöver: Neue Firma muss selbstbewusste Betriebsräte übernehmen

Weser-Kurier, 1949: Mit Start des Wirtschaftswunders werden auch wieder Anzeigen akquiriert. Bild: taz

Auch in zweiter Instanz hat die Weser-Kurier-Mediengruppe vor dem Arbeitsgericht verloren. In dem umfangreichen Streit geht es um die Anzeigen-Tochter MVB. In erster Instanz schon hat der Hackmack-Meyer-Verlag fast zwei Dutzend Verfahren verloren.

Genau genommen ist es nicht der Weser-Kurier, sondern das Hackmack-Meyer-Tochterunternehmen „MVB“ und die formal von der Weser-Kurier-Gruppe unabhängige Firma „SKC“, die sich aber arbeitsgerichtlich von dem Weser-Kurier-Aufsichtsratsvorsitzenden Johannes Weberling vertreten lässt. Am Mittwoch hat nun der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht, Mario Nitsche, allein sieben Gerichtsbeschlüsse in zweiter Instanz verkündet.

Der Kern der Sache: Die Übertragung des Anzeigengeschäftes von der Weser-Kurier Tochter „MVB“ auf die formal unabhängige Firma „SKC“ Anfang 2013 war arbeitsrechtlich ein „Betriebsübergang“, das bedeutet: Alle Arbeitnehmer müssen übernommen werden und insbesondere auch die Betriebsratsmitglieder der MVB.

Der MVB-Betriebsrat geht davon aus, dass die Verlagerung des Anzeigengeschäftes auf eine formal unabhängige Fremdfirma ein von dem Weser-Kurier-Aufsichtsratsvorsitzenden Weberling geplantes Manöver gewesen sei, um den selbstbewussten Betriebsrat loszuwerden.

Ob das ein „abgekartetes Spiel“ gewesen ist und sogar „krimineller Wille“ dahinter gestanden habe, das spiele für das arbeitsrechtliche Verfahren keine Rolle, meinte Richter Nitsche. Er spielte damit auf eine Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit an, die Anwalt Jürgen Maly gestellt hatte.

Auch, dass die formal unabhängige Firma SKC sich ausgerechnet vom Auftraggeber-Aufsichtsratsvorsitzenden Weberling vertreten lässt, kann Zweifel nähren an der Unabhängigkeit der SKC und hat insofern ein Geschmäckle.

Arbeitsrechtlich ist es jedoch ohne Belang. Entscheidend für die Bewertung „Betriebsübergang“ dagegen ist die nahtlose Übertragung des Anzeigengeschäftes von der Weser-Kurier-Tochter MVB auf die SKC.

Für die musste die Weser-Kurier-Gruppe vor Gericht keine Begründung angeben. Die Firma SKC hatte damals rund 50 Mitarbeiter der MVB abgeworben, inklusive Geschäftsführer und Sekretärin, ohne schon den Anzeigen-Vermarktungsauftrag des Weser-Kuriers in der Tasche zu haben.

Das wäre als mutiges unternehmerisches Risiko zu bewerten, wenn es nicht vorher informelle Absprachen gegeben hätte. Der Weser-Kurier produzierte so eine Situation, in der er für die eigene Tochterfirma MVB nur ein marginales Geschäftsfeld übrig hatte, sie sollte im ferneren Umland, in dem die Bremer Tageszeitung kaum relevant ist, Anzeigen akquirieren.

Die Bilanz der MVB nach der Ausblutung ist streng geheim – bei heute 17 verbliebenen MitarbeiterInnen darf man getrost eine Millionen Euro Lohnkosten pro Jahr annehmen, die Anzeigen-Provisionen liegen bei 25.000 Euro.

Die eigene Tochterfirma MVB werde von der Weser-Kurier-Gruppe „alimentiert ohne Sinn und Verstand“, beschrieb Anwalt Jürgen Maly vor Gericht die Lage. Ein teurer Spaß, sagen die MVB-Betriebsräte, deren Sinn sie nur darin erkennen können, erfahrene Anzeigenakquisiteure loszuwerden, weil sie als Betriebsräte zu aufmüpfig sind.

Der Weser-Kurier Aufsichtsratsvorsitzende Weberling will auch das eindeutige Urteil des Landesarbeitsgerichtes nicht hinnehmen und kündigte an, in Revision vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu gehen. Der Weser-Kurier würde dann Rechtsgeschichte schreiben: Für einen „Betriebsübergang“, bei dem der alte Betrieb als teures Kartenhaus fortbesteht, gibt es noch kein Referenzurteil des BAG.

Einen Termin vor dem BAG dürfte aber kaum vor dem Winter 2014 zu bekommen sein – bis dahin müsste die Weser-Kurier-Gruppe ihre Tochter MVB mit einer weiteren Million Euro „alimentieren“. Anwalt Maly könnte sich angesichts dieser Zahlen auch ein Einlenken des Weser-Kuriers vorstellen, zumal die Amtszeit des Aufsichtsratsvorsitzenden Weberling 2014 ausläuft.

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