„419 Scam“: Ein Geschäft boomt

Den Betrug gibt es seit Jahren. Aber seit dem Siegeszug des Internets in Afrika ist die Masche richtig erfolgreich. Das Rezept: Komplizenschaft zwischen Betrüger und Betrogenem herstellen

Das Schema des Betrugs, der nach dem entsprechenden Paragrafen des nigerianischen Strafgesetzbuchs „419 Scam“ heißt, ist immer gleich. Per Brief, Telefonat oder E-Mail erhält jemand die Nachricht, dass ungeahnte Reichtümer auf ihn warten. Meistens bittet da einer, der sich den Namen eines berühmten Afrikaners – nicht immer eines Nigerianers – gibt, um Hilfe beim Transfer einer riesigen Geldsumme auf ein ausländisches Konto. Ob man da helfen, etwa das eigene Konto als Depot zur Verfügung stellen könne? Im Gegenzug könne man dann einen satten Prozentsatz einstreichen.

Meistens ist man dann erst mal misstrauisch, wie immer, wenn es angeblich etwas umsonst gibt und die ganze Sache offensichtlich illegal ist. Aber viele, die doch darauf eingehen, sind gesetzestreue und vernünftige Menschen: erfolgreiche Unternehmer, Kirchenführer. Ein Grund mag sein, dass die Sache irgendwie echt aussieht. „Ehemalige Präsidenten fast jedes afrikanischen Landes haben Milliarden gestohlen und außer Land gebracht“, sagt Njall Hardarson, ehemaliger Metallunternehmer, der den „419 Scam“ untersucht hat. „Die Leute wissen das und sagen sich: Wieso soll ich nichts davon haben? Das Problem ist, dass jeder, der anbeißt, weiß, dass die Sache nicht rechtens ist, und hofft, davonzukommen.“

So entsteht eine Komplizenschaft zwischen Betrüger und Betrogenem, die den Betrug erst möglich macht. Auch wenn die Opfer merken, dass sie übers Ohr gehauen wurden, schämen sie sich oft, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Selbst wenn sie es tun, ist es schwer, die Täter dingfest zu machen. Sie arbeiten bewusst aus mehreren Ländern und sind häufig unterwegs, oft mit falschen Pässen. Ihre „Büros“ sind Internetcafés. Die überwiegende Mehrheit von ihnen stammt aus Nigeria – eines der korruptesten Länder der Welt, wo Finanzbetrug eine hohe Kunst zu sein scheint und Schätzungen zufolge unter den Einkommensquellen des Landes an dritter oder fünfter Stelle rangiert.

In manchen Cybercafés von Westafrika kann man sie sehen: die Betrüger, wie sie reihenweise hinter ihren Bildschirmen sitzen und 419-Briefe durch die Welt schicken. Sie durchsuchen Web-Forumlisten, kaufen Mail-Adressen. Die eigenen E-Mail-Adressen wechseln sie ständig. Sie sind gebildet und hochtalentiert. Und sie beherrschen das nötige Geschäfts- und Juristenenglisch. Sie wissen, wie man Zweifler überzeugt, wie man unerwarteten Reaktionen begegnet und vor allem wie man Rollen spielt: Anwalt, Bankier, Beamter.

Seit etwa 1989 gibt es den „419 Scam“, aber erst mit dem Siegeszug des Internets in Afrika hat sich das Phänomen richtig ausgebreitet. 2001 wurden zehnmal so viele 419-Mails durch die Welt geschickt wie 2000. Nicht nur Nigeria, auch Ghana oder Südafrika mit seiner nigerianischen Exilgemeinde sind inzwischen Schauplätze des Geschäfts.

Im größten bekannt gewordenen einzelnen Betrugsfall verlor der brasilianische Bankier Nelson Sakaguchi, Direktor bei der Banco Noereste Brazil, zwischen 1995 und 1997 insgesamt 181 Millionen US-Dollar. Einer der Betrüger, Chief Emmanuel Nwude-Odinigwe, ist nach Rercherchen der nigerianischen Zeitschrift News inzwischen Direktor und größter Aktionär der nigerianischen Union Bank sowie Vorstandsmitglied zahlreicher nigerianischer Unternehmen. Der Fall Ghasemi ist der erste, in dem so viele Details bekannt wurden, dass Nigerias Zentralbank die gezahlten Gelder wiederfinden konnte.

Das Internet hilft auch den Betroffenen. In den USA hat sich „The 419 Coalition“ gebildet, deren Webseite http://home.rica.net/alphae/419coal/ zahlreiche Informationen und Links bietet. Weitere Informationen gibt es auch unter http://nigeria419scam.i8.com/naija.html sowie http://superhighway.info/iis des erwähnten Njall Hardarson. Auf Deutsch gibt es Darstellungen unter anderem auf http://www.betrug-online.info/ und http://www.infopool.de/infomag/nigeria.html.

RUSS BAKER, DOMINIC JOHNSON