zuwanderung gekippt
: Jetzt kommt’s auf die Grünen an

Es wäre zu schön gewesen. Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz wäre endlich klargestellt worden: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Diese Chance ist nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts erst mal passé. Die Union ist für ihre sture Verweigerung der Realität zunächst sogar belohnt worden.

Kommentarvon LUKAS WALLRAFF

Aber Jammern und Wehklagen hilft nicht. Wenigstens diese Lektion scheint Rot-Grün inzwischen gelernt zu haben. Die Regierung tat der Union nicht den Gefallen, den beleidigten Verlierer zu geben und über die Verfassungsrichter zu schimpfen. Doch die schwierigste Aufgabe steht noch bevor – aus der juristischen Niederlage keine politische werden zu lassen. Der Triumph der Union wäre erst dann perfekt, wenn Rot-Grün nun eines seiner wichtigsten Vorhaben aufgäbe: aus Deutschland ein modernes Einwanderungsland zu machen.

Für ein solches Einknicken gibt es keinen Grund. Schließlich haben die Richter nicht über den Inhalt des Zuwanderungsgesetzes entschieden, sondern über sein formales Zustandekommen. Das Gesetz selbst ist keine spinnerte Idee rot-grüner Multikulti-Idealisten, sondern ausgewogener Kompromiss, der von allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen unterstützt wird.

Daran hat sich durch das Urteil nichts geändert. Deshalb ist die Reaktion der Regierung richtig, nicht klein beizugeben, sondern das Gesetz neuerlich in Bundestag und Bundesrat einzubringen. Das ist mutig vor den anstehenden Landtagswahlen, bei denen die Union nichts unversucht lassen wird, gegen das Gesetz zu polemisieren. Feige wäre es allerdings, wenn die Regierung in den anstehenden neuen Verhandlungsrunden weitere Kompromisse machte, die den Sinn des Gesetzes in sein Gegenteil verkehren würden.

Was nun beginnt, ist ein Kampf um die Deutungshoheit. Die Union wird erst zustimmen, wenn sie ihr Ziel erreicht hat und das Gesetz als „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ wahrgenommen wird. Ihr geht es nicht um Details, ihr geht es um „substanzielle Änderungen“. Von der SPD ist da leider wenig Widerstand zu erwarten.

Um die Substanz des Gesetzes zu retten, sind vor allem die Grünen gefordert. Wenn nur ein Kompromiss zu haben ist, bei dem alle Öffnungsoptionen und alle humanitären Teile wegfallen, sollten sie auf eine Gesamtlösung verzichten. Akut notwendig sind bessere Integrationsangebote. Zur Not wäre deshalb ein gutes Integrationsgesetz erst einmal besser als ein schlechtes „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“.