Nato-Treibstoff nicht untersucht

Hochgiftiges Flugbenzin, aber angeblich keine Gefahr. Giftige Zusätze nach wie vor geheim. Land Rheinland-Pfalz will bei Ausbau von US-Flughäfen Ramstein und Spangdahlem trotzdem nur Luft messen. Tierversuche Besorgnis erregend

aus Wiesbaden THOMAS KLEIN

Anwohner von Luftwaffenstützpunkten in Rheinland-Pfalz sind alarmiert. Möglicherweise ist der von der Nato eingesetzte Flugtreibstoff „Jet Propellant 8“ (kurz: JP-8) Krebs erregend. Auf ihre besorgten Anfragen hin hatte die rheinland-pfälzische Landesregierung vor drei Wochen angekündigt, möglichen Gesundheitsgefährdungen nachzugehen. Inzwischen ist aber klar, dass die Verantwortlichen bislang nur die schon vorliegenden Papiere noch einmal gesichtet haben. Auf Anfrage der taz erklärte der zuständige Mitarbeiter im SPD-geführten Umweltministerium, Arnold Heerd, man werde in der Nähe der beiden US-Air-Basen Spangdahlem (Eifel) und Ramstein Luftmessungen vornehmen. Laborproben oder ähnliche Untersuchungen seien augenblicklich nicht notwendig.

Auch die Grünen wollen sich nun des Themas annehmen. Die rheinland- pfälzischen Abgeordneten Friedel Grützmacher und Ines Reich-Hilweg haben der „Arbeitsgemeinschaft Frieden“ (AGF) in Trier zugesagt, einige der zuletzt von dieser öffentlich aufgeworfenen Fragen im Parlament zur Sprache zu bringen.

Die AGF möchte wissen, ob die zuständigen Behörden Berichte prüfen, nach denen das Einatmen der JP-8-Abgase die Gefahr erheblich vergrößert, an Leukämie und an MCS (Multiple Chemikalien-Sensitivität) zu erkranken. Und welche Schutzmaßnahmen für die Anwohner an den US-Air-Basen vorgesehen sind.

Der Hintergrund: Seit über zehn Jahren ist JP-8 als Nato-Treibstoff im Einsatz. Die genaue Zusammensetzung unterliegt der Geheimhaltung. Nach Ansicht der britischen Wissenschaftszeitschrift New Scientist enthält der sowohl von Flugzeugen als auch in Panzern und Lastwagen genutzte Treibstoff Substanzen, die bei Tierversuchen schwere Gesundheitsschädigungen zur Folge hatten: Tumore, Missbildungen und Fehlgeburten. In der Kritik sind dabei vor allem Zusätze zur Standardisierung der Benzineigenschaften (taz vom 26. Januar 2000).

Der Toxikologe Otmar Wassermann, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Umweltstiftung, geht davon aus, dass JP-8 das hochgiftige 1,2-Dibromethan enthält. Dass das US-Militär die genaue Zusammensetzung des Treibstoffs geheim hält, zeigt laut Wassermann deshalb eine „Menschen verachtende Arroganz“.

In einer Reaktion auf Presseberichte, in denen die Befürchtungen Wassermanns und anderer Fachleute aufgegriffen worden waren, verwies das Mainzer Umweltministerium unter anderem auf die Angaben der zuständigen Wehrbereichsverwaltung West in Wiesbaden. Diese hatte im Zusammenhang mit der flugtechnischen Genehmigung und dem beantragten Ausbau der beiden US-Luftwaffenstützpunkte erklärt, von der Verwendung von JP-8 gehe nach bisherigem Kenntnisstand keine Gefahr für die Gesundheit der Menschen an den Flugplätzen aus. Diese Ansicht teilt Ministeriumsmitarbeiter Heerd. JP-8 sei ein Massenprodukt, das in allen Flugtreibstoffen in fast identischer Zusammensetzung in Gebrauch sei. „Es gibt ein sehr stringentes internationales Regelwerk, was in diese Treibstoffe überhaupt hineinkommen darf.“

Der Berliner Umweltprofessor Knut Krusewitz, der einen gegen den Ausbau klagenden Anwohner in Spangdahlem berät, reagiert auf diese Darstellung mit der Frage, warum das Umweltministerium keine unabhängige Labor-Untersuchung in Auftrag gebe, wenn der Stoff doch so harmlos sei. So lange es Hinweise gebe, dass JP-8 Additive enthalte, die im normalen Kerosin nicht drin seien, gehe er davon aus, dass der Treibstoff gesundheitsgefährdend sein könnte. Diesem Verdacht müsse dringend mit einer genauen Analyse nachgegangen werden.

Krusewitz bezieht sich dabei auf Erkenntnisse eines US-amerikanischen Toxikologen. Mark Witten von der Universität Tucson, im US-Bundesstaat Arizona, zitiert der New Scientist am 13. Juni 2001 mit den Worten, JP-8 habe bei Tierversuchen mit Mäusen deren Immunsystem „völlig zerstört“. Ihm sei kein Stoff bekannt, der die Abwehrkräfte so gründlich schädige.

Buch zum Thema: Marion Hahn, „Umweltkrank durch Nato-Treibstoff?“, 124 Seiten, Verlag Hardy Hohl,Heidelberg 2001, 16,80 €ĽWebsite (engl.): www.jp8.org