Bestochen, bedroht, bestraft

Irakdebatte: Der US-Abgeordnete McDermott warnt seine Regierung davor, die Welt„aus Streben nach Öl, Macht oder in imperialer Verblendung ins Verderben zu führen“

Wir haben Möglichkeiten, Saddams Bestreben zu stoppen: durch Inspektionen und Abrüstung

Mit der Ende letzter Woche erteilten Kriegsermächtigung durch den Kongress im Rücken verstärkt die Bush-Administration ihren Druck auf die UNO, einen Krieg gegen Irak zu sanktionieren. Scharf kritisiert wurde der Umgang Washingtons mit den Vereinten Nation in der Kongressdebatte von dem demokratischen Abgeordneten Jim McDermott , einem der entschiedensten Gegner eines Irakkrieges. Wir dokumentieren Mc Dermotts Rede im Wortlaut.

Unsere Regierung hat die Vereinten Nationen in der Vergangenheit häufig unterminiert. Besonders schlimm war das 1990 im Falle des Irak. Damals haben wir den Sicherheitsrat durch Bestechung, Drohungen und Sanktionen genötigt, unseren Krieg durch eine Resolution zu unterstützen. Wir haben arme Ratsmitglieder mit billigem Öl und China durch diplomatische Aufwertung und zusätzliche Entwicklungshilfe bestochen. Und wir haben Jemen, dem damals einzigen arabischen Land im Sicherheitsrat gedroht, ein Votum gegen unseren Krieg würde „die teuerste Neinstimme“ in der Geschichte des Landes.

Als Jemen dennoch mit Nein votierte, haben wir dieses ohnehin ärmste Land der arabischen Welt mit der Streichung unserer gesamten humanitären Hilfe in Höhe von 70 Millionen Dollar bestraft. An diesen Vorgang erinnert man sich bei der UNO heute, da wir ihr erneut einen Krieg aufzwingen wollen. Ich hoffe, dass unsere Freunde und Alliierten, die einen anderen Ansatz in der UNO verfolgen, sich durch unseren unilateralen Missbrauch dieser multilateralen Institution nicht einschüchtern lassen.

Die zentrale Frage ist: Warum sollten wir einen Krieg gegen den Irak beginnen? Bislang galt die Regel, dass das amerikanische Volk keinen Krieg führt und Leben opfert, nur weil es eine Bedrohung geben könnte oder um einen Regimewechsel in einem anderen Land zu bewirken. Im Fall des Irak begeben wir uns nun auf völlig neues Terrain. Wir verlangen nicht nur Abrüstung, sondern die Beseitigung eines Herrschers. Der Pressesprecher des Präsidenten hat sogar öffentlich ein Attentat vorgeschlagen.

Wir sollten diesen Resolutionsentwurf für eine Kriegsermächtigung des Präsidenten ablehnen. Der Entwurf ist voreilig. Die Geheimdienste haben uns bislang keine Beweise vorgelegt, dass den USA eine unmittelbare Gefahr droht. Es ist unbestreitbar, dass Saddam Hussein ein brutaler Diktator ist, der schwere Verbrechen verübt hat. Es ist wahrscheinlich, dass er weiterhin nach Massenvernichtungswaffen strebt. Aber wir haben Möglichkeiten, diese Bestrebungen zu stoppen: durch Inspektionen und Abrüstung.

Nach Diskussionen mit der UNO-Waffenkontrollkommission und ihrem Chef Hans Blix hat Irak in einem Schreiben an UNO-Generalsekretär Kofi Annan neue Inspektionen auf der Basis der bis bisherigen UN-Resolutionen und ohne Einschränkungen und Bedingungen akzeptiert. Doch anstatt diese irakische Position zu begrüßen, hat Präsident George W. Bush sie als irrelevant verworfen.

Wir müssen diese Inspektionen jetzt ohne weitere Verzögerungen stattfinden lassen, mit oder ohne eine neue Resolution des UNO-Sicherheitsrates. Blix soll seinen Job machen. Sollte Irak, was Gott verhindern möge, zur Obstruktion zurückkehren, dann können wir im Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen beschließen, die Blix zur Umsetzung seines Auftrags benötigt. Es steht sehr viel auf dem Spiel, wenn wir heute eine voreilige Entscheidung treffen.

Wenn wir uns auf die Abrüstung Iraks konzentrieren, könnte es uns gelingen, die internationale Koalition zur Bekämpfung des Terrorismus zusammenzuhalten. Aber wenn wir allein handeln, um den Regierungschef im Irak zu stürzen, wird sich die ganze arabische Welt fragen: Wer ist der nächste? Dann zwingen wir die arabischen Staaten, sich zwischen ihren Nachbarn und uns zu entscheiden. Und dann würde al-Qaida künftig zur Rekrutierung neuer Kämpfer ein Poster mit dem Kopf unseres Präsidenten einsetzen. Und die Amerikaner wären – zu Hause und im Ausland – nicht mehr, sondern weniger sicher.

Wenn der Kongress diese Kriegsermächtigung beschließt, schaffen wir zwei Präzedenzfälle, die wir in der Zukunft noch bedauern werden: Der Kongress überträgt den Präsidenten das Recht, einen Krieg zu beginnen und Amerika kann „präventive Kriege“ führen. Lehnen Sie diesen Resolutionsentwurf ab und wahren Sie das Prinzip unserer Verfassung, wonach nur der Kongress einen Krieg erklären kann. Ein Krieg kann nicht begonnen werden lediglich auf Befehl eines Präsidenten, dessen Interesse an einer diplomatische Lösung erschöpft ist und der den Kongress erst 48 Stunden nach Abschuss der ersten Raketen informieren muss.

Ein Krieg wird dauerhafte Auswirkungen für uns haben. Das weiß ich nicht aus Lehrbüchern, sondern von Menschen, die in einem unerklärten und chaotischen Krieg gekämpft haben. Als Psychiater der US-Seestreitkräfte habe ich von 1968 bis 1970 Soldaten behandelt, die unter ihren Erfahrungen im Vietnamkrieg litten und voller Trauer und Wut waren. Ich habe gesehen, welch hohen Preis unsere Truppen bezahlt haben für einem Krieg, dessen Ziele im besten Fall unklar waren, im schlimmeren Fall ein Betrug war.

Nach dem Wortlaut dieses Resolutionsentwurfes für eine Kriegsermächtigung könnten die USA ein anderes Land ausschließlich auf der Grundlage angreifen, dass unser Präsident – und zwar nur er – der Ansicht ist, die Diplomatie habe versagt. Als die Gründer dieser Nation dem Kongress vor fast 230 Jahren die Verantwortung zur Erklärung von Kriegen übertrugen, hatten sie gerade einen Krieg beendet. Die menschlichen Kosten eines Krieges waren ihnen sehr bewusst. Deshalb haben sie entschieden, dass die Verantwortung, einen Krieg zu führen, nicht bei einer Person liegen kann, sondern vom gesamten Kongress getragen werden muss. Wir können diese Verantwortung nicht an den Amtsinhaber im Weißen Haus abgeben – völlig unabhängig davon, wie weise er oder sie ist oder aus welcher Partei er oder sie kommt.

Die Geheimdienste haben bislang keine Beweise vorgelegt, dass den USA unmittelbare Gefahr droht

Ich habe einen Vorschlag: Lasst uns diese Debatte für eine Stunde unterbrechen und gemeinsam zum Vietnamkriegs-Denkmal gehen, bevor wir uns und unsere Kinder einer unbekannten Welt anvertrauen, in der der Präsident beschließen kann, einen Krieg zu beginnen, wann immer er dies aus nationalem Interesse für erforderlich hält. Lasst uns noch einmal die auf dem Denkmal eingemeißelten Namen anschauen, bevor wir die 60-jährigen Bemühungen,die Welt durch die UNO und das Völkerrecht zusammenzuhalten, zerstören.

Die Führer dieser Welt haben aus zwei Weltkriegen innerhalb von 25 Jahren die Verpflichtung gezogen, alles zu tun, um eine Wiederholung zu vermeiden. Im Großen und Ganzen ist das bislang gelungen. Lasst uns nicht diejenigen sein, die im Streben nach Öl, Macht oder in imperialer Verblendung die Welt ins Verderben führen!

Übersetzung: Andreas Zumach