DIE TÜRKEI VERKAUFT WASSER AN ISRAEL: DAS GIBT EIN SCHLECHTES VORBILD
: Für Kommerz ungeeignet

Nach jahrelangen Verhandlungen scheint es jetzt so weit. Die Türkei will Wasser nicht zu Wein, sondern zu Geld machen. Bereits in wenigen Monaten sollen Tanker statt Öl Trinkwasser transportieren – und zwar von der türkischen Südküste nach Israel. Während in Israel der Wassermangel immer gravierender wird, läuft das kostbare Nass in der Türkei ungenutzt ins Meer. Die Türkei bekommt durch den Handel dringend benötigte Devisen und Israel dringend benötigtes Trinkwasser. Ein Geschäft in allseits bestem Einverständnis also?

Für die türkischen Nachbarn Syrien und Irak ist der Deal zunächst einmal eine Provokation. Nicht nur, weil die Türkei ihre strategische Zusammenarbeit mit Israel ausbaut, sondern wegen des Stoffs, der da verkauft wird. Der Kritik ihrer Nachbarn ist die Türkei immer mit dem Argument entgegengetreten: „Wenn wir euer Öl teuer bezahlen, warum sollen wir dann nicht unser Wasser verkaufen?“ Doch beim Wasser ist es schwieriger als beim Öl, Dein und Mein auseinander zu halten. Fast alle großen Flüsse durchqueren mehrere Länder, die Anspruch auf das Wasser erheben. Israel hat das Problem am Jordan, dessen wichtigste Zuflüsse im Libanon und auf dem Golan liegen – einer der Gründe, warum für Israel die Rückgabe des Golan so schwierig ist. Ägypten hat seinem Nachbarn Sudan mit Krieg gedroht, wenn dieser den Nil stauen würde. Syrien und Irak streiten sich mit der Türkei um das Wasser des Euphrat und des Tigris, die beide im Südosten der Türkei entspringen.

Zwar kennt jeder von uns Wasser als kommerzielles Gut. Doch der Verkauf von Wasser zwischen zwei Staaten ist ein Novum. Wasser wird gerade im Nahen Osten immer mehr zu einem knappen Gut. Jeder Amateurstratege plappert mittlerweile den Satz nach, der nächste Krieg würde nicht mehr um Öl, sondern um Wasser geführt. Umso wichtiger wäre es, dieser Gefahr vorzubeugen. Das geht nur durch ein internationales Wassermanagement für eine ganze Region, in dem für einen gerechten Interessenausgleich gesorgt wird. Kapitalismus und Kommerz sind dafür gänzlich ungeeignet.

JÜRGEN GOTTSCHLICH