Von Aktionären und Geschassten

Autozulieferer Continental tröstete gestern auf der Hauptversammlung: Verzicht auf Dividende zahlt sich bald aus. Grund für den Verzicht sind „teure Werkschließungen“. Doch dort, wo die Werke geschlossen wurden, hat man ganz andere Probleme

von KATHARINA KOUFEN

Der Continental-Vorstandsvorsitzende Manfred Wennemer steht zum harten Sanierungskurs des vergangenen Jahres: Die Kosten für fünf Werksschließungen von 468 Millionen Euro und der Ausfall der Dividende würden sich schon bald auszahlen, beruhigte Wennemer gestern auf der Hauptversammlung des Unternehmens in Hannover mehrere hundert Aktionäre. Es sei richtig gewesen, diese Reifenwerke (darunter ein deutsches) mit insgesamt 4.770 Beschäftigten zu schließen. So habe Continental Überkapazitäten abgebaut und sei auf dem Weg vom Reifenhersteller zum weltweit führenden Ausrüster von elektronischen Fahrwerkssystemen.

Einen Blick auf die andere Seite, jenseits von Dividende und Aktienkurs, bot gestern eine Delegation aus einem der geschlossenen Werke im mexikanischen Guadalajara. „Die ganze Stadt leidet darunter, dass 1.164 Leute auf einen Schlag ihren Job verloren haben“, prangerte Jésus Torres Nuño, Generalsekretär der Betriebsgewerkschaft, vor der Hauptversammlung an. Er und seine Kollegen kämen „mit der Bitte, die Schließung zu korrigieren“. Die Firma Continental habe sowohl mexikanisches Recht verletzt als auch die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen. Diese verlangen, dass die Interessen der entlassenen Angestellten so weit wie möglich berücksichtigt werden müssen.

Mexikanisches Recht sieht vor, dass Betriebe nur in einer extremen wirtschaftlichen Notlage geschlossen werden dürfen. Eine solche habe das Unternehmen aber nicht nachweisen können, meinen die Gewerkschafter und meint auch die internationale Menschenrechtsgruppe Fian, die die Mexikaner unterstützt. Vielmehr sei die Schließung des Reifenwerks „der Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Gewerkschaft“. Bereits kurz nach der Übernahme des mexikanischen Betriebs 1998 habe Continental 18 Leute entlassen, die in der Gewerkschaft aktiv waren. Die Gefeuerten klagten, bekamen Recht und wurden kurz darauf „zähneknirschend“ wieder eingestellt, wie Martin Wolpold-Bosien von Fian berichtet.

Tatsächlich erklärte Continental kurz nach der Schließung der mexikanischen Tochter, die „Bemühungen, in dieser Fabrik internationale Produktionsstandards zu implementieren“, seien „an der Uneinigkeit mit der Gewerkschaft gescheitert“. Gestern fügte Wennemer hinzu, das Werk sei 50 Prozent weniger leistungsfähig als andere in Nordamerika. Zudem habe der Krankenstand teilweise 25 Prozent betragen.

Nun werden sich die nationalen Kontaktstellen für die OECD-Leitlinien mit dem Streit befassen. In der Bundesrepublik ist dafür das Wirtschaftsministerium zuständig. Dort, so hieß es gestern, will man sich um den Fall kümmern und beide Parteien an einen Tisch holen. Wennemer allerdings dämpfte gestern die Hoffung der Mexikaner: „Ich sehe keine Möglichkeit, die Schließung rückgängig zu machen.“