Attac alles Sozialdemokraten?

Nachdenken bei den Entwicklungsgruppen: Auf dem Bundeskongress Internationalismus (Buko) suchte die kapitalismus-kritische Linke nach ihrem Verhältnis zur erfolgreichen Konkurrenz Attac. Mehr Teilnehmer als erwartet, vor allem Jugendliche

aus Frankfurt LORENZ BECKHARDT

„Tatort Globalisierung“ steht auf einem Transparent auf dem Campus der Frankfurter Uni. Davor steht eine Schlange überwiegend junger Leute mit Plastiktellern bewaffnet und wartet auf Kartoffeln, Salat und Tsatsiki. Eine Freiluftmensa mit langen Holzbänken und -tischen ist aufgebaut. Doch der erste Eindruck täuscht. Dies ist nicht die Kulisse für einen Spielfilm über die linken Protestbewegungen der 80er. Mit beachtlichen 600 TeilnehmerInnen fand vom 9. bis 12. Mai in Frankfurt am Main der 25. Bundeskongress Internationalismus, kurz Buko, statt. Ein neuer Name übrigens. Vor einem Jahr noch nannte man sich Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen.

Thomas Seibert (44) von der Frankfurter Hilfsorganisation medico international hat den Kongress mitorganisiert: „Der Buko hat sich in den letzten Jahren geöffnet, weg vom Dachverband der reinen Solidaritätsarbeit, hin zu allen Gruppen, die man internationalistisch nennen kann, auch Antifa- und Anti-Rassisimus-Gruppen.“ Über dem Treffen lag eine spürbare Aufbruchstimmung. Über die Hälfte der TeilnehmerInnen war unter 30, viele waren gerade mal volljährig. Seibert: „Es sind doppelt so viele gekommen wie letztes Jahr. Wir profitieren vom Aufschwung von Attac.“

Neben Themen wie „Die Krise in Argentinien“, „Globalisierung und Imperialismus für Einsteiger“, „Frauenunterdrückung in islamischen Ländern“ war ein Hauptthema der Erfolg von Attac. Gerda, 35, Sozialarbeiterin aus Köln und regelmäßige Buko-Teilnehmerin: „Bisher war das hier eher ein Theorietreffen. Jetzt sollte der Buko sich stärker praktischer Politik zuwenden und mit Attac zusammenarbeiten.“

Immer wenn es um Attac ging, wurde es denn auch lebhaft auf dem ansonsten ungewöhnlich streitarmen Treffen. Bei einer Podiumsdiskussion wurde Peter Wahl (54), Mitbegründer von Attac Deutschland und früher aktiv beim Buko, nach den politischen Zielen von Attac gefragt. Wahl plädierte für Pluralismus: „Bei Attac sammeln sich Menschen, die erst mal ein diffuses Unbehagen an den gesellschaftlichen Verhältnissen artikulieren. Wir werden der Sehnsucht nach einfachen Rezepten widerstehen.“ Den Buko-Aktivisten reichte das nicht. Sie warfen Attac vor, politische Inhalte aufzugeben, um sich damit den Zugang zu den Massenmedien zu erkaufen. Wahl widersprach nicht: „Wir tragen der gewachsenen Rolle des Fernsehens Rechnung. Im medial inszenierten Gesellschaftsdrama um „pro“ und „contra“ hat Attac die Rolle des „contra“ übernommen.“

Tags darauf fragte Thomas Seibert in einem voll besetzten Hörsaal: „Was ist eigentlich links? Wer ist links?“ Moe Hierlmeier (43), Lehrer und langjähriger Buko-Aktivist, versuchte eine Antwort: „Links sein heißt anti-etatistisch, macht- und herrschaftskritisch zu sein. Attac bezieht sich positiv auf staatliches Handeln. Deshalb bezeichne ich Attac als eine Art außerparlamentarische Sozialdemokratie.“

Wie wirkten solche innerlinken Diskurse auf die jugendliche Mehrheit? Anne, 21, Studentin aus Dresden: „Die schmoren hier im eigenen Saft. Das ist nichts für Leute, die noch nicht so tief in der Materie sind. Dabei will die linke Szene doch Zuwachs.“ Florian, 20, Schüler aus Nürnberg: „Das Wichtigste war für mich neue Leute zu treffen und der Austausch von anderen Meinungen und Kritik. Ich komme nächstes Jahr wieder.“ Der 26. Buko soll in einem Jahr in Leipzig stattfinden (www.buko.info).