schwarze taz
: Geschlechterkampf und Verbrechen: vier Frauenkrimis

Wenn Kommissarinnen hassen

Gelegentlich hat man das Gefühl, der Kriminalroman sei vor allem ein Vehikel zur Mitteilung privater Befindlichkeiten, getarnt als Schicksalsgeschichten über Polizisten oder Detektive, die bei ihrer Arbeit naturgemäß dorthin geführt werden, wo es nicht mehr möglich ist, bestimmten unangenehmen Fragen auszuweichen. Aber ist das wirklich alles? Wenn Frauen und Männer hassen, führt das zu Problemen im Beruf, vor allem bei Polizisten: Maria Kouba, Hauptfigur in Sabina Nabers Debütroman „Die Namensvetterin“, ist Kriminalkommissarin in Wien und leidet unter der Trennung von ihrem Lebensgefährten, der sich nun mit einer Jüngeren vergnügt. Gelegentlich hasst sie ihren Job, „diesen abgewichsten Männerverein“, wenn ihre Kollegen auch angesichts einer im Intimbereich verstümmelten Frauenleiche Witze machen.

Damit scheint das Leitmotiv klar. Geschlechterkampf gebiert Perversionen gebiert Gewalttaten. Aber ganz so eindeutig ist es nicht. Ob Mann oder Frau, ob Zivilist oder Polizist: Das Lustzentrum im Gehirn ist unberechenbar; und wer nicht aufpasst, wird schnell Akteur im falschen Spiel.

„Was bist du zuerst, Polizistin oder Frau oder einfach nur du selbst? Wenn du Polizistin bist, sehen dich die Leute mit anderen Augen an. Sie sehen die Funktionsträgerin. Du repräsentierst Staat und Gesetz, du bist nicht beliebt. Dein Freund will nichts von den schrecklichen Sachen hören, die du tagtäglich zu Gesicht bekommst. Du bist kein normaler Mensch.“ Und weil das so ist, erzählt Louisa Barratt, die Protagonistin in Lucy Harkness’ Roman „Beweisaufnahme gescheitert“, ihre Geschichte in Form eines Aussageprotokolls. Sie weiß: Vor Gericht gibt es nur Täter oder Opfer. Also klagt sie sich selbst an. Was genau die Detektivin der Abteilung Kinder- und Jugendschutz falsch gemacht hat, enthüllt sich den Lesern dieses bemerkenswerten Romans einer schreibenden Polizistin nach und nach.

Weniger privatistisch, mehr im größeren gesellschaftlichen und historischen Rahmen bewegen sich die neuen Romane der Russin Polina Daschkowa und der Amerikanerin Sara Paretsky. In „Club Kalaschnikow“ befasst sich Polina Daschkowa auf gewohnt hohem literarischem Niveau mit dem Mord an einem reichen Moskauer Kasinobesitzer, der in die Auseinandersetzungen rivalisierender Mafiagruppen geraten ist. Ob es sich um einen Auftragsmord handelt oder um eine private Rachetat, versucht die gebeutelte Ehefrau des zwielichtigen Lebemanns zu ergründen. Und gibt damit der Autorin die Gelegenheit, uns ein weiteres Mal ein lebendiges Panorama der sozialen und politischen Verhältnisse in ihrer Heimat in allen Details vorzuführen.

Sara Paretsky arbeitet fleißig daran, die Grenzen des Genres auszudehnen. „Ihr wahrer Name“ ist ein ganz besonderer Fall für die Privatdetektivin Vic Warshawski. Sie soll herausfinden, inwieweit das Schicksal ihrer Freundin Lotty Herschel mit dem eines angeblichen Holocaust-Opfers verknüpft ist. Warum hat Lotty vor 50 Jahren für kurze Zeit den Namen Radbuka angenommen? Welche erschütternden Ereignisse ihrer Biografie versucht sie seit damals zu verdrängen? Auf knapp fünfhundert Seiten gelingt Sara Paretsky das, was sonst nur Autoren vom Format eines Eric Ambler bewältigt haben: das Schicksal des Einzelnen im Rahmen eines irrlichternden Kriminalfalles von historischem Ausmaß zu reflektieren. Und damit wäre bewiesen, dass der Kriminalroman durchaus dazu taugt, Geschichten zu erzählen, die über momentane Befindlichkeiten privater Natur hinausgehen. ROBERT BRACK

Sabina Naber: „Die Namensvetterin“. Rotbuch, 308 Seiten, 18 €ĽLucy Harkness: „Beweisaufnahme gescheitert“. dtv, 220 Seiten, 9 €ĽPolina Daschkowa: „Club Kalaschnikow“. Aus dem Russischen von Margret Fieseler. Aufbau, 445 Seiten, 20 €ĽSara Paretsky: „Ihr wahrer Name“. Aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser. Piper, 493 Seiten, 19,90 €