Ich stehe noch!

■ Nena im Pier 2: Erst Zartbitter-Schokolade, dann Marzipan

Es gibt Dinge im Leben, die kommen immer wieder. Seien es Schlaghosen aus den 70ern, Nierentische aus den 50ern oder die „Neue Deutsche Welle-Musik “ aus den 80ern. Lebendige Vertreterin der letzteren Fraktion war am Wochenende zu Gast im Pier 2: Susanne Gabriele Kerner, besser bekannt als Nena.

Manche Menschen essen immer zuerst das, was ihnen nicht so gut schmeckt. So knabbern sie bei Marzipan erst die Zartbitterschokolade drumrum ab, bevor sie sich dem oralen Höhepunkt, der klebrigen Masse, widmen.

Bevor Nena ihren Zuhörern den akkustischen Höhepunkt in Form ihrer alten Hits wie „99 Luftballons“ schenkte, mussten diese sich gut eine Stunde durch das neue Album „Chokmah“ beißen, zu dessen Produktion sich Nena Florian Sitzmann aus dem Söhne Mannheim-Umfeld mit ins Boot holte. Schlichte, fast schon rockige Beats, mal etwas düster und melancholisch angehaucht, aber auch überraschend fröhlich wie bei ihrer neuen Single „Carpe diem.“

Dann ging's ans Eingemachte: Nena zog sich ein weißes Top über, auf der runden Leinwand erschienen bunte Lichtprojektionen – und die Chanteuse aus Hagen sang „Wunder gescheh'n“. Die mehr als tausend Zuschauer, die auch schon die 80er Jahre selbst live miterlebt haben, sangen begeistert im Kanon mit. „Mensch Leute, es ist ein Wunder, dass ich immer noch hier stehe“, freute sich Nena.

Doch während die Zeit bei so manchem Zuschauer Spuren hinterlassen hat, scheint sie an der 42-jährigen Sängerin spurlos vorbeigegangen zu sein. Schwarze Fokuhila-Mähne, durchtrainierter Körper, sexy Stimme und so voller Power wie die 80er-Neonfarben.

Nena dürfte sich ebenso wie ihr Publikum fragen: War das alles „Nur geträumt“ oder ist den „99 Luftballons“ immer noch nicht die Puste ausgegangen und schweben sie „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ in Richtung „Leuchtturm“ oder machen sich auf den Weg zum „Silbermond“. Und als sich viele schon auf dem Heimweg befanden, machte Nena immer noch weiter. Als gäbe es auch einen Hit namens „Nie genug“.

Eins steht fest: Das war sicherlich nicht die letzte Tour, denn wie sang schon Heintje: „Wunder gibt es immer wieder.“ Sörre Wieck