„Der Senat wälzt die Verantwortung ab“

Der Berliner Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber lehnt die milliardenschwere Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft ab. Die Immobilienrisiken sollten stattdessen ausgelagert und vom Markt abgearbeitet werden

taz: Herr Kerber, das Abgeordnetenhaus hat in Bezug auf die Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft eine der folgenreichsten Entscheidungen zu treffen, vor denen je ein Landesparlament gestanden hat. Wie würden Sie votieren?

Markus C. Kerber: Wenn ich Abgeordneter wäre, würde ich zunächst einmal rechtlich prüfen lassen, ob eine solche Entscheidung, die eine immense Vorausbelastung in die Zukunft impliziert, von einem Abgeordnetenhaus getroffen werden kann, das nur für fünf Jahre gewählt ist. Zweitens würde ich mir vom Finanzsenator erklären lassen, warum die Bankgesellschaft ohne die gesetzliche Risikoabschirmung nicht weitergeführt werden kann. Die Gefahrenlage ist grundsätzlich technisch und fachlich zu bewältigen.

Wie sieht denn diese Lösung aus?

Man muss all die Risiken, die sich in der Bank angesammelt haben, auslagern. Das ist bisher noch nicht versucht worden. Jede Forderung, auch eine schlechte oder risikobehaftete, hat auf dem Markt einen Wert. Momentan scheuen sich die Verantwortlichen in Berlin, die Werthaltigkeit der verbliebenen Forderungen vom Mark ermitteln zu lassen, weil dann das ganze Ausmaß der Misswirtschaft erkennbar würde.

Wer hat etwas zu befürchten?

Man muss sehen, dass die jetzt angestrebte Lösung für alle Beteiligten die bequemste ist. Damit wälzt der Senat die Verantwortung auf die Abgeordneten ab. Das Versagen der bisherigen und jetzigen Senatoren wird nicht haftungsrechtlich konkretisiert. Management und Aufsichtsrat der Bank müssen keine weitere Rechenschaft darüber ablegen, wie es zu dieser gigantischen Kapitalvernichtung gekommen ist. Und beim Bundesamt für das Kreditwesen, der Bankenaufsicht, wird nicht mehr gefragt werden, wo die Wirtschaftsprüfer bei der Bankgesellschaft in den vergangenen Jahren eigentlich hingeguckt haben. Nach der Parlamentsentscheidung kann der Senat die Bank in Gänze verkaufen, statt in einem schmerzhaften Prozess die verkäuflichen und unverkäuflichen Teile zu trennen. Das alles geschieht auf Kosten der Berliner Steuerzahler – die Übernahme von Risiken in Höhe von bis zu 21 Milliarden Euro ist unzumutbar. Das entspricht einem ganzen Jahreshaushalt unserer hoch verschuldeten Stadt.

Kann Berlin eine solche Last überhaupt alleine schultern?

Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass das Land als Mehrheitsaktionär alle Verluste übernehmen muss. Wenn die Eigentümer in Verantwortung genommen werden, müssten auch die anderen Anteilseigner – die NordLB und die Parion Versicherungsgruppe – mit ins Boot. Dass Berlin sich alles aufhalsen lässt, ist eine klare politische Entscheidung, die mit Markwirtschaft wenig wenig zu tun hat.

Eine Pleite der Bank würde ein schlechtes Licht auf den Bankenplatz Deutschland werfen.

In Deutschland lässt man eine Bank dieser Größenordnung nicht Konkurs gehen. Eine Gefahr für den Bankenstandort Deutschland sehe ich insofern nicht. Die risikoreichen Geschäfte der Bankgesellschaftstochter Berliner Bank sind von den Konkurrenten ohnehin immer misstrauisch betrachtet worden. Diesen Geschäften würde bestimmt keiner hinterhertrauern; der Markt hätte seine Selbstreinigungskraft bewiesen und sich somit insgesamt gestärkt.

Die Grünen fordern, die Immobilienrisiken der Bank auszulagern und in eine landeseigene Gesellschaft zusammenzufassen, die diese dann abarbeitet. Ein gangbarer Weg?

Es ist richtig, die Risiken offenzulegen und auszulagern. Dies darf dann aber nicht in staatlicher Verantwortung bleiben. Dass der Staat ein denkbar schlechter Unternehmer ist, hat das Beispiel Bankgesellschaft in dramatischer Weise bewiesen. Er braucht sich jetzt nicht als öffentliches Inkasso-Unternehmen versuchen. Die Risiken müssen vom Markt abgearbeitet werden. Forderungen einzutreiben, ist ein hoch professionelles Geschäft, auf dass sich entsprechende Gesellschaften spezialisiert haben. Ein privates Unternehmen, das davon profitiert, geringere Verluste als zunächst angenommen zu realisieren, würde mit Sicherheit bessere Ergebnisse erzielen als eine landeseigene Gesellschaft.

Was würde dieses Modell das Land kosten?

Das ist schwer schätzbar. Was das kostet, sagt der Markt. In zehn, 20 oder 30 Jahre kann es Wertsteigerungen bei den Immobilien geben. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, die Bankgesellschaft in einen sanierungsfähigen Kern und einen abzuwickelnden Teil aufzuspalten, der gegebenenfalls liquidiert werden muss. Der sanierungsfähige Teil kann dann verkauft werden. An ausländischen Bietern, die auf den deutschen Markt drängen, besteht doch kein Mangel.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER