Ausgezeichnet leben

■ Der Lübecker Aegidienhof ermöglicht nicht nur selbstbestimmtes Wohnen

Ein Dutzend zusammenhängende Häuser aus dem 13. bis 20. Jahrhundert kaufen, sanieren und zu Wohnungen und Büros umbauen – das klingt nach Wohnen im Loft und Luxusmodernisierung, nach Designerläden, Yuppies und Dinks. Im Aegidienhof mitten in der Lübecker Altstadt ist alles ganz anders. Hier haben sich Rentner und Behinderte, Handwerker und junge Familien zusammengetan, um einen historischen Stadtblock vor dem Verfall zu retten und sich gleichzeitig den Traum vom selbstbestimmten Wohnen zu erfüllen.

Beginenkonvent, Waisenhaus, Armenhaus und zuletzt Sozialamt der Hansestadt Lübeck, der Aegidienhof diente immer sozialen Zwecken. Als das Sozialamt 1998 auszog, drohte der Verfall, weil sich kein Investor fand, der mit den aus zwölf ineinander verschachtelten, zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Häusern rund um einen Innenhof etwas anfangen konnte. Dazu kam, dass das Aegidienviertel nicht gerade als gute Adresse galt. Es gab eine offene Drogenszene, Läden standen leer, das Viertel gilt traditionell als Arme-Leute-Viertel.

Eines Tages trafen sich Lübecker Architekten und die Initiative „Alt und Jung“ vor dem verwaisten Komplex. Die einen wollten die historische Bausubstanz ökologisch verträglich retten, die anderen die Möglichkeit zum Generationen übergreifenden Wohnen schaffen. „Für jeden allein wäre das Objekt viel zu groß gewesen, aber für uns zusammen war es geradezu ideal“, sagt Architekt Stefan Franck. Im April 1998 wurde die Planungsgemeinschaft „Aegidienhof GbR“ gegründet.

Ganz ohne Bauträger und Inves-toren machten sich Architekten, Projektentwickler und Fachplaner gemeinsam mit den künftigen Wohnungseigentümern an die Arbeit, entwickelten Ideen und maßgeschneiderte Konzepte. Im November 1999 begannen die Bauarbeiten, im Sommer 2000 zogen die ersten Bewohner ein.

Heute ist der Aegidienhof fast fertig, neben den meist behindertengerecht gestalteten Wohnungen gibt es Arztpraxen, Büros, eine Buchbinderei, eine Goldschmiede und ein Café, in dem sechs Frauen und Männer mit geistigen Behinderungen arbeiten. Und es gibt auch schon zwei Auszeichnungen: Der Aegidienhof wurde mit dem Förderpreis „Nachhaltiges Schleswig-Holstein“ der Umweltakademie Schleswig-Holstein und dem Landespreis für zukunftsweisendes Bauen des schleswig-holsteinischen Innenministeriums bedacht.

Eva-Maria Mester