Chinatown für vietnamesische Händler

Noch gibt es in Berlin keine Chinatown. Bald aber könnten schon derer zwei entstehen. Am Kurfürstendamm oder im Alten Schlachthof in Prenzlauer Berg

von MARINA MAI

Paris hat sie. New York hat sie. Berlin soll sie auch bekommen. Das zumindest fordert die bündnisgrüne Abgeordnete Claudia Hämmerling. Eine Chinatown. Die Stadtentwicklungspolitikerin schlägt vor, den Alten Schlachthof an der Eldenaer Straße in Prenzlauer Berg zu einem Zentrum für asiatisches Gewerbe und asiatische Kultur zu entwickeln. Hier könnten von Vietnamesen betriebene Großhandelsbetriebe angesiedelt werden, aber auch asiatische Gewürzläden, Kampfsport- und Yogaschulen oder eine Pagode.

Die Fläche gehört dem Land Berlin. Das hat eine Entwicklungsgesellschaft mit der Vermarktung beauftragt. Doch seit Jahren liegt das Areal mit den denkmalgeschützten Gewerbehallen brach. Der Flächennutzungsplan sieht unter anderem großflächigen Einzelhandel vor, doch Hämmerling sieht dafür keinen Bedarf. „Wenn demnächst an der Landsberger Allee zahlreiche neue Einzelhandelsflächen entstehen, wären die Stadtteilzentren in Marzahn, Lichtenberg, Hellersdorf und Friedrichshain in ihrer Existenz bedroht, und es gingen viele Arbeitsplätze im Handel verloren.“

Eine China- oder eine Asiatown hingegen wäre konkurrenzlos, würde Impulse für eine multikulturelle Kiezkultur bringen und die vietnamesischen Händler aus der Schmuddelecke herausholen. „Das wäre ein Highlight für den Osten und würde außerdem Geld in die Landeskasse bringen.“

In Berlin leben rund 9.000 Vietnamesen, 5.400 Thailänder, 4.800 Chinesen sowie mehrere hundert weitere Menschen aus Südostasien. Vietnamesische Großhändler haben Schwierigkeiten, in Berlin Gewerberäume zu finden, obwohl überall welche leer stehen. Die Probleme: Sie benötigen viel zusammenhängende Fläche, weil sie nur so Kunden anziehen können. Aus Mangel an seriösen Angeboten geraten sie immer wieder in die Fänge mafioser Strukturen.

Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Petra Reetz würde sich freuen, wenn das Gebiet des Alten Schlachthofs entwickelt werden würde. „Aber es müsste Investoren geben, die ein tragfähiges Konzept einreichen.“ Auch die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John, hält den Hämmerling-Vorschlag für diskussionswürdig. „Man müsste klären, ob bei den ethnischen Zielgruppen Interesse besteht und ob sie mit Kapital einsteigen würden.“ Hingegen ist Rainer Seider vom Asien-Pazifik-Forum des Senats skeptisch. „Es würde mich wundern, wenn man so etwas in Berlin hinbekäme. Die Gruppen der Chinesen und Vietnamesen sind hier sozial und ethnisch äußerst inhomogen, anders als etwa in Paris.“

Chinatown in Prenzlauer Berg, das ist jedoch weniger Wohn- als vielmehr Arbeitsviertel. Das weiß auch die PDS-Abgeordnete Karin Hopfmann, die sich seit Wochen um die Probleme vietnamesischer Gewerbetreibender kümmert. „Aus wirtschafts- und aus integrationspolitischen Gründen ist die Politik dringend in der Verantwortung, eine Standortdiskussion für das asiatische Gewerbe zu führen.“

Auch Tamara Hentschel vom deutsch-vietnamesischen Verein Reistrommel fordert die Politik auf, sich zu einem asiatischen Gewerbestandort zu bekennen und die Händler aus ihrer Isolation herauszuholen. „Das ist die einzige Chance, die mafiosen Strukturen langfristig zu zerschlagen.“ Doch Hentschel ist auch skeptisch. Ein Standort in Prenzlauer Berg wäre sicher für Deutsche interessant, die asiatisches Flair mögen. Doch die vietnamesischen Händler würden diesen Standort nicht annehmen, fürchtet sie. „Das Zentrum des vietnamesischen Lebens hat sich um die Rhinstraße in Lichtenberg und Marzahn herum entwickelt. Ich sehe diese beiden Bezirke in der Pflicht, einen asiatischen Stadtteil zu entwickeln.“ Problematisch sei aber, dass die Zielgruppe nicht in der Lage sei, in langen Zeiträumen zu planen.

Le Duc von der Vereinigung der Vietnamesen würde sich allerdings freuen, wenn es einen asiatischen Stadtteil gäbe. „Dort würden viele Landsleute gern investieren. Über einen Standort müssten wir noch diskutieren.“

Vor wenigen Tagen hatte der Jurist Reiner Deyhle mit dem Vorschlag Aufmerksamkeit erweckt, am Wilmersdorfer Ende des Ku’damms eine Berliner Chinatown anzusiedeln. Deyhle, der als bislang einziger Deutscher einige Zeit im Shaolin-Kloster verbracht hatte, hatte dort den ersten Shaolintempel Deutschlands eröffnet. In Wilmersdorf unterstützt die FDP die Idee, ansonsten findet sie wenig Resonanz.

Für Claudia Hämmerling steht ohnhin fest. „Asiatown gehört in den Osten.“