15-Jähriger Bremer in Geiselhaft

■ Das Bremer Ausländeramt will einen 15-jährigen Kurden in Abschiebehaft nehmen, dessen Familie untergetaucht ist. Während seine Mutter im Amt saß, griff die Polizei zu Hause zu

Das Ausländeramt kennt kein Pardon: Vorgestern wurde der 15-jährige libanesiche Kurde Abdulkadir El-Zein im elterlichen Haus festgenommen. Die Innenbehörde beantragte beim Haftrichter, den Jugendlichen in Abschiebegewahrsam zu nehmen.

Seine Mutter Nebiha El-Zein wurde nach einem Nervenzusammenbruch eine Woche lang stationär im Zentralkrankenhaus Ost behandelt und kann deshalb derzeit nicht abgeschoben werden. Der Rest der Familie hatte sich der Abschiebung in die Türkei durch Untertauchen entzogen (taz berichtete). Nun war der 15-Jährige zu seiner Mutter zurückgekehrt. Die befand sich zum Zeitpunkt der Festnahme auf der Ausländerbehörde, um ihre Duldung verlängern zu lassen. Nach dem Verbleib ihres Sohnes Abdulkadir gefragt, antwortete sie dort, er sei zu Hause. Sie werde am Nachmittag mit ihm wiederkommen.

Dann musste die 48-Jährige während der Ausfertigung ihrer Papiere „draußen Platz nehmen“. Unterdessen setzte die Ausländerbehörde die Polizei in Marsch. Vier Beamte klingelten im Buntentorsteinweg und verhafteten den 15-Jährigen. Als seine Mutter nach Hause kam, war ihr Sohn verschwunden. Gestern wurde er dem Haftrichter vorgeführt. Allerdings ist für die richterliche Anhörung bei Minderjährigen erforderlich, dass Erziehungsberechtigte hinzugezogen werden. Das Gericht ließ daher bei der Mutter anrufen – von einem Türkisch-Dolmetscher. Dabei ist seit langem bekannt, dass die Familie nur arabisch, nicht aber türkisch spricht. Schließlich wurde der Mutter über Umwege auf Deutsch übermittelt, dass sie zum Gericht kommen möge. Ihre Schwiegertochter durfte sie indes nicht als Dolmetscherin mitbringen. Den ganzen Tag brachte ein Amtsrichter mit diesem offensichtlich kniffligen Fall zu. Bis Redaktionsschluss war über die Verhängung der Abschiebehaft noch keine Entscheidung gefallen.

Eigentlich sollten in Bremen keine unter 16-Jährigen mehr in Abschiebehaft kommen. Zuletzt war vor über einem Jahr ein 15-jähriges Mädchen allein in den Abschiebegewahrsam in der Vahr gebracht worden – trotz einer anders lautenden Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz. Eine Ausnahme macht die Vorschrift allerdings: Wenn Straftaten vorliegen, können auch Jugendliche in Abschiebehaft genommen werden. Eben darauf beruft sich die Ausländerbehörde nun. Innenressort-Sprecher Markus Beyer spricht von einer Reihe von Jugend-Gerichtsverfahren.

Abschieben kann die Behörde den Jugendlichen, der im Alter von einem Jahr nach Bremen kam, zunächst nicht. Dazu müsste im Zielland Türkei die „kindgerechte Inobhutnahme“ gewährleistet sein. So lange nicht auch mindestens ein Elternteil mit abgeschoben werden kann, wäre das kaum möglich. Offensichtlich soll der Junge nun im Abschiebegewahrsam „warten“, bis sich entweder sein Vater stellt oder die Ärzte seiner Mutter Reisefähigkeit bescheinigen.

„Es hätte für Bremen eine neue Qualität, dass ein Minderjähriger in Abschiebegewahrsam genommen wird, um die Familie zum Aufgeben zu zwingen“, sagt Detlef Driever, Rechtsanwalt der Familie. Im Klartext heißt das: Geiselhaft. Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Anja Stahmann, Mitglied im Jugendhilfeausschuss, kritisierte das Vorgehen der Ausländerbehörde stark: „Das ist eine Art psychologischer Kriegsführung gegen die Familie.“ Auch für Petra Stern, Leiterin des Flüchtlings-Kinderschutzprojekts beim Deutschen Kinderschutzbund, ist die Inhaftierung nicht akzeptabel. „Nach dem Gesetz können die Behörden das machen, aber menschlich gesehen ist das eine Katastrophe.“ Der Kinderschutzbund tritt vergeblich für die Durchsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ein, die die Inhaftierung deutscher wie ausländischer Kinder gleichermaßen ausschließt. Aber die Bundesregierung hat das Vertragswerk nur „unter Vorbehalt“ ratifiziert: Der Kinderschutz gilt nur, so weit das deutsche Ausländerrecht ihm nicht entgegen steht. Jan Kahlcke