Die mildeste Folter

DGB-Diskussion: Ex-Innensenator Olaf Scholz verteidigt Brechmittel gegen Kritiker bis zum Erbrechen  ■ Von Sandra Wilsdorf

Für die einen ist es Folter, für die anderen die „mildeste Methode“: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte zu einer Diskussion über Brechmitteleinsätze geladen, und gekommen waren einige hundert Interessierte in das rundum polizeigesicherte DGB-Haus. Weil Justizsenator Roger Kusch (CDU) der Einladung nicht gefolgt war, saßen nur Sozialdemokraten auf dem Podium, die jedoch ganz unterschiedliche Positionen zu der im Sommer in Mode gekommenen Methode der Beweissicherung haben: Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose lehnt Brechmittel als unverhältnismäßig rundheraus ab. Zur Beweissicherung seien sie nicht erforderlich, „und wenn sie zurStrafe und Abschreckung dienen, verstößt das gegen rechtsstaatliche Prinzipen, denn das ist nicht Aufgabe der Exekutive, sondern der Justiz“.

Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery ist gegen das Brechen mit Gewalt und plädiert für die risikoärmere Variante der Abführmittel. In der derzeitigen auch nach dem Tod des mutmaßlichen Dealers Achidi J. harten Haltung des Rechtssenats sieht er allein eine auf Durchhalten und Gesichtwahren gepolte Politik.

SPD-Chef Olaf Scholz hingegen, der die Methode in seiner Zeit als Innensenator eingeführt hatte, hält sie nach wie vor für alternativlos und verteidigte sie mit einer Vehemenz, wie es sein Nachfolger nicht besser gekonnt hätte. Und so entzündete sich der Zorn der ganz überwiegend Brechmittel ablehnenden Diskussionsteilnehmer denn auch hauptsächlich an Scholz sowie an Konrad Freiberg, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei. Auch für ihn gibt es ohne Brechmittel keine Beweise und ohne Beweise keine Verurteilungen.

Scholz betont, dass man sich mit dem mexikanischen Sirup noch für den „mildesten Einsatz“ entschieden hätte. Andere Methoden hätten Kieferbrüche zur Folge. „Es gibt keine andere Methode der Beweissicherung“, sagte Scholz. Denn auch wenn immer das Gegenteil behauptet würde, noch hätte kein Hamburger Gericht einen Drogendealer nur aufgrund von Schluckbewegungen verurteilt. Und so ras-tert er und beschreibt Merkmale der Täter: „Sie machen falsche Angaben zu ihrer Herkunft und ihrem Alter, und sie können nicht überführt werden.“ Scholz spricht viel von Verantwortung, „die wir in unserem Rechtsstaat dafür tragen, dass ein Täter nicht einen Spickzettel zu sich nehmen kann, mit dem er seine Überführung verhindert.“ „Absurd“, rief einer.

Und ein anderer verzweifelt: „Ein Mensch ist tot, Herrgott, da-rüber reden Sie gar nicht.“ Ein Mitarbeiter einer Drogenhilfeinrichtung forderte endlich Konzepte, Antworten auf Crack und auf das Problem des Jugendkonsums.

Und dann sagte der ehemalige Innensenator noch etwas Lehrreiches: Mitnichten sei die Einführung der Brechmittel eine Wahlkampfmaßnahme gewesen, „es nur deshalb zu tun, das halte ich nämlich für unmoralisch“. Und im Übrigen funktioniere Politik nicht so wie in „linksradikalen Kitschromanen oder bei den Semmelings“. Aha.