Warum bloß Euro und nicht Globo?

Weltgeld wird es nicht als Bargeld geben. Eine Verrechnungseinheit Globo ist jedoch zur Stützung der Stabilität der Wechselkurse sinnvoll

von RUDOLF HICKEL

Offiziell gibt es den Euro bereits seit dem 1. 1. 1999. Mit der Einführung der neuen Währung als Bargeld wird aber erst jetzt sinnlich der endgültige Abschied von den bisherigen Nationalwährungen deutlich.

Die Euro-Geldpolitik der Europäischen Zentralbank steht jedoch vor einem Dilemma. Einerseits erzeugt der gemeinsame Währungsraum eine einheitliche Geldpolitik. Die Fischer aus Bari, die sich per Kreditaufnahme neue Netze kaufen, tun dies unter denselben Bedingungen wie die Fischer an der Nordsee. Andererseits verläuft die Konjunktur in den Mitgliedsländern sehr unterschiedlich. Deutschland befindet sich in einer Rezession. Expansive Geldpolitik durch deutliche Senkung des Leitzinses wären angesagt. Dagegen boomt beispielsweise die Wirtschaft in Spanien. Die starke Binnennachfrage beschert auch Frankreich Wirtschaftswachstum ohne Inflation. Der keltische Tiger Irland erkauft sich dagegen den Wachstumsboom durch hohe Inflationsraten. Das Problem: Im Euroland kann die einheitliche Geldpolitik auf die unterschiedliche Konjunkturverläufe keine Rücksicht nehmen.

Wird der Euro nun an dieser strukturellen Zerklüftung seines Wirtschaftsraums scheitern? Dazu muss es nicht kommen. Aber die deutsche Einigung mit dem D-Mark-Import zum 1. Juli 1990 hat uns gelehrt: Je größer die Unterschiede zwischen Wachstums- und Krisenregionen sind, umso umfangreicher müssen öffentliche Transfers von den reichen in die armen Länder gelenkt werden. Jedenfalls reicht die EU-Strukturpolitik mit ihren Fonds dazu bei weitem nicht aus.

Nun holt uns eine alte Frage aus der Wirtschaftswissenschaft ein: Ist das Euroland überhaupt ein optimaler Währungsraum und damit für eine einheitliche Geldpolitik geeignet? Oder grundsätzlicher: Wie hoch muss der Harmonisierungsgrad in einem Wirtschaftsraum sein, um eine einheitliche Geldpolitik erfolgreich betreiben zu können? Mit dem Mut zur Vision: Wäre es nach dem Riesenschritt ins Euroland nicht sinnvoll, ein Weltgeld auf der Basis des gesamten Globus als optimalem Währungsraum einzurichten?

Der vor zwei Jahren mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnete kanadische Wirtschaftswissenschaftler Robert Mundell hat schon 1961 im American Economic Review Antworten auf diese ketzerische Fragen nach dem optimalen Währungsraum nahegelegt. Seine Theorie zeigt, dass eine gemeinsame Währung, einheitlich in einem Raum mit großen ökonomischen Unterschieden angewendet, katastrophal wirken kann.

Unterstellen wir zum Beispiel, im Westen Kanadas würden Holz durch den Einsatz von Holzfällern und im Osten Automobile produziert. Nehmen wir weiter an, durch eine massiv steigende Pkw-Nachfrage boomt die Wirtschaft im Osten. Arbeitskräfte werden dringend gesucht. Im Westen verlieren hingegen die Holzfäller im Zuge rückläufiger Nachfrage nach Holz ihre Jobs. Die für Kanada zuständige Zentralbank müsste niedrige Zinssätze gegen die Wirtschaftskrise im Westen einsetzen. Die Folge wäre jedoch eine steigende Inflationsrate in Ostkanada. Die einheitliche Währungspolitik funktioniert nur, wenn die arbeitslosen Holzfäller zur Wanderung in den Osten bereit sind. Der Westen würde erst einmal verarmen. Sind jedoch die bodenständigen Arbeitslosen zu dieser Mobilität nicht bereit, dann hat nicht nur die Geld-, sondern auch die Finanzpolitik ein dickes Problem. Die Westregion muss mit Finanzhilfen über Wasser gehalten werden. Die einheitliche Währung vertieft das Strukturgefälle.

Eine scheinbar einfache Lösung bietet sich an. West- und Ostkanada werden zwei autonome Währungsgebiete mit jeweils eigener Währung, die an den Devisenmärkten gehandelt werden. Die Zentralbank Westkandas könnte durch Zinssatzsenkung die Wirtschaft stärken. Der westkanadischen Dollar würde abwerten und die Auslandsnachfrage für Holz billiger.

Mit der Kenntnis dieser Theorie zurück zum Euroland: Nach den strengen Kriterien optimaler Währungsräume ist weder Euroland noch war rückblickend Deutschland ein optimaler Währungsraum. Hat deshalb der Euro keine Chance?

Gegen die Abschaffung des Euros spricht ein übermächtiger Vorteil großer Währungsräume: Innerhalb dieser sind die schädlichen Eruptionen von Wechselkursen zwischen eigenständigen Währungen ein für allemal gebannt. Spekulanten vom Typ George Soros, der mit seinen Attacken auf die Wechselkurse 1992 und 1993 das Europäische Währungssystem in die Krise trieb, wird das Handwerk gelegt.

Auch für die Weltwirtschaft hat diese Idee Konsequenzen. Durch Spekulanten ausgelöste erratische Wechselkursschwankungen belasten die Entwicklung des Welthandels und erschüttern immer wieder das Weltfinanzsystem. Die Vision, die sprunghaften Wechselkursschwankungen zu bannen, nährt die Idee, ein Weltgeld, Globo, einzuführen und die derzeit etwa 180 Währungen und damit 16.000 bilateralen Wechselkurse abzuschaffen.

Aber theoretische wie praktische Gründe lassen den Traum vom Weltgeld schnell platzen. Die ökonomischen Entwicklungen innerhalb und zwischen den drei großen Wirtschaftsräumen Nordamerika, Europa und Südostasien sind zu groß. Eine weltweit einheitliche Geldpolitik wäre für die immer noch in Unterentwicklung gehaltenen Länder eine Katastrophe.

Ein Element jedoch aus der Idee vom Weltgeld Globo muss unbedingt realisiert werden. Die Weltwirtschaft muss von ihrer Krisenanfälligkeit durch erratische Bewegungen der Wechselkurse auf der Grundlage eigenständiger Währungen befreit werden. Durchaus angeregt von der Vision vom Weltgeld plädiere ich für ein System der Stabilisierung der wichtigsten Währungen. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn die USA ihre Politik des US-Dollar-Imperialismus aufgibt. Der Anspruch auf die Leitwährungsposition passt – wie auch der militärische Imperialismus in der Außenpolitik – weniger denn je zur Weltwirtschaft. Dem Euro sei Dank, dass er den Anspruch des US-Dollar-Imperialismus untergräbt. Nein, gebraucht wird ein System von fixierten bilateralen Wechselkursen mit der Verpflichtung der Notenbanken innerhalb einer Bandbreite diese Kurse zu verteidigen. Die Leitkurse dürfen nur unter extremen Bedingungen geändert werden. Zur Stützung des Systems ist ein internationale Clearing-Union auf der Basis der Recheneinheit Globo nötig.

In diesem System bleibt immer noch ein eingeschränkter Spielraum für Spekulanten: Umso wichtiger ist es, dieses Wechselkurssystem mit der weltweiten Einführung der Tobin-Steuer zu komplettieren. Durch die Besteuerung der tagtäglichen Spekulationsgeschäfte mit Währungen ließe sich die Wechselkursstabilisierung erleichtern.

Den Globo in Form von Münzen und Banknoten wird es nicht geben. Aber mit der Stabilisierung der Außenwerte der nationalen Währungen und dem Globo als Verrechnungseinheit können wir einen wesentlichen Schritt in Richtung eines Weltgelds als Devise näher kommen. Denn entscheidend ist die Stabilität der Wechselkurse.