Wie damals bei der Stasi

Auf einer Konferenz diskutieren erstmals Mitarbeiter aus beiden ehemals deutschen Geheimdiensten über die Arbeit der Stasi in Westdeutschland

BERLIN taz ■ Es ist wie eine leise Ahnung, ein Hauch des Gefühls, wie es damals gewesen sein könnte: vor der Wende, vor dem Ende des Kalten Krieges. Vom Podium tönt eine bleierne Stimme. Im Stakkato wirft sie Phrasen wie „Wandel im Offensivbegriff“, „generelle Interventionsfähigkeit“ oder „strategische Zerstörung der Lebensnerven eines Landes ohne Okkupation“ in den Raum. Es ist Heinz Busch, Oberst a.D. der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), der ehemaligen Spionageabteilung der Stasi, der hier über die Wahrnehmung der westlichen Militärpolitik in den Jahren des Kalten Krieges auf der anderen Seite referiert. Im Präsens. Für Minuten fallen Zuhörer und Podiumsteilnehmer zurück in die Zeit, zu der die Welt in zwei Blöcke geteilt war.

Es war die Tagung „Stasi im Westen – Geheimdienste und Politik im deutsch-deutschen Verhältnis“, die es schaffte, längst vergessene Feindszenarien wiederzubeleben. Zum ersten Mal waren im Rahmen einer öffentlichen Konferenz, die von der Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen (BStU), Marianne Birthler, organisiert wurde, auch Vertreter der Geheimdienste anwesend. Einträchtig auf dem Podium sitzend tauschten sich etwa Joachim Zöller, seit 1978 beim Miliärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr, und Heinz Busch, ehemals HVA, mit den etwa 230 Teilnehmern über Erfolg und Misserfolg aus – ohne es sich allerdings nehmen zu lassen, sein Gegenüber immer wieder mit abweichenden Einschätzungen zu korrigieren.

Viele Aspekte der Arbeit der DDR-Geheimdienste in Westdeutschland liegen nach wie vor im Dunkeln, denn die HVA hatte vor ihrer Selbstauflösung 1990 den Großteil ihrer Akten vernichtet. Parallele Aktenbestände anderer Abteilungen der Stasi, die Entschlüsselung der Sira-Datenbank 1998 und die so genannte Rosenholzdatei haben wenigstens teilweise Einblicke in die Spionagetätigkeit von geschätzten 3.500 Bundesbürgern gebracht.

„Wir kennen die Strukturen, wissen, welche Agenten wo in Westdeutschland saßen“, bestätigt auch Wolfgang Krieger, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Marburg, der sich schon seit 1993 in einem Arbeitskreis mit der Geschichte der Geheimdienste beschäftigt. Völlig unklar sei dagegen, inwieweit es eine analytische Verarbeitung der Kenntnisse gegeben habe und welchen Einfluss diese Kenntnisse auf die Politik der DDR oder anderer Warschauer-Pakt-Staaten gehabt habe. Auch Busch zuckt nur mit den Schultern: „Wie Honecker und seine Adlaten mit den Informationen umgegangen sind, das wissen wir einfach nicht.“

Unter dem Publikum aus zumeist älteren Herren findet sich auch eine Hand voll ehemaliger Stasimitarbeiter aus höheren Ebenen, wie ein Birthler-Mitarbeiter nach einem Blick in die Teilnehmerliste genüsslich feststellt. Für sie ist der Kalte Krieg wohl noch nicht zu Ende. Wie früher zücken sie bei bestimmten Themen ihre kleinen Notizbücher. Die Atmosphäre und die Diskussionen scheinen zu real für sie gewesen zu sein.

SUSANNE AMANN